Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deutschen Bundestag am 21. November 2012 im Rahmen der Haushaltsdebatte um den Verteidigungshaushalt 2013

Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zum Ende dieser Debatte noch zwei Bemerkungen machen, die eine zu einem haushaltspolitischen Fachthema und die andere zur Debattenpolitik des Verteidigungsministers.

Als Fachthema kann man sich ein Thema aussuchen; ich habe mich für die Beschaffung der Hubschrauber für unsere Bundeswehr entschieden. Seit 1990 planen wir die Einführung des Hubschraubers NH 90. Dabei haben wir die unterschiedlichsten Phasen der Nichtbeschaffung dieses Hubschraubers unter verschiedensten Regierungen erlebt. Auch Sozialdemokraten waren beteiligt, aber die drei Verteidigungsminister der letzten sieben Jahre gehörten einer anderen Fraktion an. Wir warten immer noch auf die ersten einsatzfähigen Hubschrauber.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Ich bin schon mit einem geflogen!)

– Wunderbar. Also einen hält er aus.

(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Und was für einen!)

Jetzt ist nach Jahren der Verschiebung, Veränderung, Streckung beschlossen worden, nicht mehr 122, sondern nur noch 80 Hubschrauber anzuschaffen. Ich habe einmal nachgefragt, wie jetzt der Sachstand ist. Die Antwort des Staatssekretärs Beemelmans: Es wird weiterhin intensiv an einer für beide Seiten akzeptablen Lösung gearbeitet. – Auch das kommt nicht voran. Eigentlich kommt da gar nichts voran.

Wir sind im Übrigen der Meinung: Wir brauchen eher mehr als weniger Hubschrauber, also keine Reduzierung. Wir brauchen Hubschrauber, um die regionalen Bündnisse, die wir stärken wollen, besser unterstützen zu können. Hier soll nicht systematisch reduziert werden, wie das bei dem Rest der Bundeswehr gemacht wird, sondern es müssen Schwerpunkte gesetzt werden.

Für die Anschaffung des Kampfhubschraubers Tiger gilt Ähnliches. Deren Zahl soll von 80 auf 40 reduziert werden. Die Antwort ist die gleiche. Auch da gibt es noch keine Lösung. Wir sind allerdings damit einverstanden, dass hier die Anzahl reduziert wird. Wir brauchen nicht mehr ganz so viele Kampfhubschrauber wie zu der Zeit der Bedrohung durch Panzer.

Noch eines zu den Einsätzen in Afghanistan, die jetzt geplant werden. Es macht Freude, die Antworten des Staatssekretärs Beemelmans zu lesen. Frage: Wie oft ist der Einsatz in Afghanistan ver-schoben worden? Antwort: Für den UH-Tiger wurden die Planungen zweimal verschoben. Für den NH 90 ist der Einsatz insgesamt dreimal verschoben worden. – Auch die jüngere Geschichte ist, was die Hubschrauber angeht, also keine Erfolgsgeschichte. Sie müssen sich da besonders anstrengen. Sie sind nicht der Erste, der sich anstrengen muss, aber vielleicht erreichen Sie wirklich ein Ergebnis hinsichtlich des Einsatzes in Afghanistan im nächsten Jahr.

Der MH-90 ist der Ersatz für „Sea King“ und „Sea Lynx“, ein Marinehubschrauber, welchen Musters auch immer. Die erste Auslieferung war einmal für 1999 geplant, dann für 2011, dann für 2015. Im Moment gibt es noch kein neues Datum, weil es keinen Vertrag gibt. Bis heute gibt es keinen Beschaffungsvertrag für einen neuen Marinehubschrauber. So können Sie mit den Anforderungen unserer – zugegeben – kleinsten, aber nicht unwichtigsten Teilstreitkaft nicht umgehen.

Ich habe Ihnen einmal ein wunderschönes Foto mitgebracht, das in einer regionalen Tageszeitung zu sehen war. Darauf sehen Sie fünf „Sea-King“-Hubschrauber, nicht flugfähig, auf einem Ponton, der auch nicht von selbst fährt, gezogen von einem Schlepper durch den Nord-Ostsee-Kanal bei der Verlegung von Kiel nach Nordholz. Das soll nicht die Zukunft der Marine oder der Hubschrauberei werden.

(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Das stimmt!)

Aber es ist ein Sinnbild dafür, dass hier etwas nicht funktioniert. Reformieren Sie das Beschaffungswesen so, dass die Maschinen zulaufen. Dies ist alles schon lange geplant und muss jetzt kommen.

(Inge Höger [DIE LINKE]: Braucht es aber nicht!)

Bezüglich des leichten Unterstützungshub-schraubers haben wir im Verteidigungsausschuss relativ einhellig beschlossen: Wir wollen ihn haben. Dafür ist im Verteidigungshaushalt für nächstes Jahr Geld eingestellt. Jetzt bin ich gespannt, ob Sie das hinbekommen. Der Beschluss ist da, das Geld ist da, jetzt müssen Sie ihn nächstes Jahr beschaffen. Versuchen Sie das einmal!

Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf die Debattenpolitik. Wir haben in der Frankfurter Rundschau in einem Aufsatz vom Verteidigungs-minister gelesen, dass er sich Gedanken darüber macht, wie die Debatte zu Auslandseinsätzen in Deutschland befeuert werden kann. Er schreibt zu den Auslandseinsätzen:

Welche Überzeugungen leiten uns Deutsche dabei? Welche Ansprüche stellen wir dabei an uns selbst? Diskussionen? Fehlanzeige!

Nun gibt es eine Diskussion, die der Verteidigungsminister selbst angestoßen hat: Das ist die über Veteranen. Da bin ich nicht so ganz sicher, dass das die Diskussion ist, die wir in Deutschland am dringendsten zu führen haben. Es soll auch eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr geben, die besagt: Das ist in Deutschland nicht von zentralem Interesse. Ich glaube, auch die Soldaten, die aus einem Einsatz zurückgekehrt sind, interessiert nicht, ob man sie als Veteranen bezeichnet. Das ist für einen 34-jährigen Industriemeister, der als Hauptfeldwebel in Afghanistan im Einsatz war, sicherlich nicht der richtige Begriff, um sich damit identifizieren zu können. Sie können diese Debatte gerne zu einem guten Ende bringen, aber es ist nicht die wichtigste Debatte, die wir zu führen haben.

Wir sollten vielmehr eine andere Debatte führen – ich bin auch dankbar dafür, dass das schon zweimal angeklungen ist –, aber wir müssten sie separat führen. Sie betrifft das, was Frau Bundeskanzlerin bei der Bundeswehrtagung in Strausberg auf den Punkt gebracht hat – ich zitiere –:

Um aber unsere sicherheitspolitischen Ziele erfolgreich verfolgen zu können, sind wir als EU oder als NATO-Partner auch darauf angewiesen, dass in Zukunft auch andere Länder – insbesondere die, die wirtschaftspolitisch an Bedeutung gewinnen – Verantwortung übernehmen. Das sage ich ganz besonders im Hinblick auf Schwellenländer.

Sie fügt dann hinzu:

Oftmals reicht es aber nicht, neue Partner nur zu ermutigen. Vielmehr geht es auch um Ertüchtigung. Ertüchtigung setzt bereits bei guter Regierungsführung an. Sie kann ebenso Ausbildung wie auch Unterstützung bei der Ausrüstung bedeuten.

Das sind bedeutungsschwere Ankündigungen. Es ist sozusagen eine Art Paradigmenwechsel in der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Da geht es nicht mehr um Bündnisse, sondern um einzelne Länder in anderen Regionen, in denen wir nicht selbst sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen wollen. Das ist vielleicht keine Erfindung dieser Regierung, sondern wir haben schon bei dem von Rot-Grün beschlossenen Einsatz in Osttimor festgestellt, dass es nicht immer sinnvoll ist, dass Deutschland sich überall auf der Welt militärisch engagiert.

Sicherlich sollten wir Partner haben, aber wir müssen auch die Debatte führen, welche Partner wir haben wollen und welche Unterstützung wir ihnen geben wollen. Ausrüstungsunterstützung ist sicherlich nicht das Erste, was einem dazu einfällt. Vielleicht fangen wir besser mit politischer Unterstützung an und kommen dann zur Ausbildungsun-terstützung, Herr Minister. Jetzt haben Sie noch die Chance, bei der Bundeswehrreform nachzusteuern und die Schulkapazitäten der Bundeswehr nicht ganz so stark zu reduzieren. Statt sie nur auf den eigenen Bedarf zu reduzieren, sollten Sie eher zusätzliche Kapazitäten für internationale Lehrgänge schaffen.

Wenn Sie diese Politik machen wollen, brauchen Sie Ausbildungskapazitäten – vielleicht auch in Mali, aber zunächst einmal bei uns in Deutschland. Das kann man systematisch tun, wenn man eine solche Politik verfolgen will.

Rüstungsexporte in Länder, die für uns bisher nicht infrage gekommen sind, fallen uns nicht an erster Stelle ein. Natürlich ist Indien für uns ein Partner in diesem Bereich. Das ist richtig. Ob das auch für Indonesien gilt, wäre diskussionswürdig. Saudi-Arabien ist es ganz sicher nicht, Herr Minister. Diese Diskussion müssen wir führen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Agnes Brugger [BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN])