Rede von Hans-Peter Bartels in der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages am 26. Januar 2011 anläßlich der öffentlichen Diskussion über die Falsch- und Nichtunterrichtung des Bundestages durch den Bundesverteidigungsminister Guttenberg zu Vorfällen in der Bundeswehr.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über Führungsverhalten und Führungsprobleme bei der Bundeswehr. Von Problemen spricht auch Frau Hoff. Darüber sind wir uns wohl relativ einig, auch nach der heutigen Sitzung des Verteidigungsausschusses.

Probleme treten auf drei Ebenen auf.

Erstens: auf der Ebene von Ausbildern auf einem Schulschiff. Das muss aufgeklärt werden. Da muss die Praxis in Zukunft stimmen. Man kann gut ausbilden, aber das kann man wahrscheinlich noch besser machen. Die Ausbildung darf nicht lebensgefährlich sein. Wir brauchen eine bessere Praxis. Es ist die Aufgabe der Marineführung, dafür zu sorgen.

Zweitens. Wir reden über Verantwortliche im Ministerium, die Informationen verwalten und offenbar nicht immer an die richtige Stelle bringen, nicht zum Minister, nicht zum Parlament und manchmal auf Umwegen in die Öffentlichkeit. Es gibt Kommunikationsprobleme, wie sie auch schon der Vorgänger Herr Jung kennengelernt hat. Zu Beginn der Amtszeit haben wir von Herrn zu Guttenberg gehört, das werde jetzt abgestellt, das alles werde viel besser. Heute können wir feststellen: Er hat den Laden noch nicht besser im Griff. Das muss besser werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÃœNDNISSES 90/DIE GRÃœNEN)

Drittens: Führungsverhalten bei der Bundeswehr. Auf der obersten Ebene betrifft es den Verteidigungsminister selbst. In allen drei Fällen, über die wir heute sprechen, hat er Entscheidungen zu treffen gehabt und hat er Entscheidungen getroffen. Dann muss er sich schon die Frage gefallen lassen, warum und wie er diese Entscheidungen getroffen hat. Das ist keine Majestätsbeleidigung. Wir werden demnächst eine Freiwilligenarmee haben. Auch Minister für diese Bundeswehr ist man nur freiwillig. Diesen Fragen müssen Sie sich stellen.

In Sachen „Gorch Fock“ und Abberufung des Kapitäns haben wir erlebt, dass, nachdem es zunächst „keine Vorverurteilung“ hieß, am Abend desselben Tages die Abberufung erfolgte.

Am nächsten Tag gab es die erste Pressemitteilung: Der Verteidigungsminister hat den Inspekteur der Marine beauftragt, den Kommandanten des Schulschiffes „Gorch Fock“ von seinen Pflichten zu entbinden. – Das hört sich markig an. Da wird jetzt durchgegriffen.

Am folgenden Tag, nachdem es schon ein bisschen Presseberichterstattung gegeben hat, wird dann etwas relativiert – ich zitiere –:

(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Präzisiert!)

Die Entbindung eines Kommandanten von seinen Pflichten ist ein in der Marine in einer solchen Situation übliches Verfahren.

Das war am Tag danach.

Noch einen Tag später gab es die dritte Presseerklärung zur Abberufung des Kommandanten, die angeblich eine ganz einfache Sache aus Fürsorgegründen gewesen ist. Da heißt es:

Ein von seinen Pflichten entbundener Kommandant ist weder „gefeuert“ noch „geschasst“ oder „rausgeworfen“.

Sie hatten offenbar Grund, immer wieder richtigzustellen, was nicht gleich richtig gesagt wurde.

(Zuruf des Abg. Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU])

Das passt in eine Reihe von Korrekturen, die wir in Ihrer Amtsführung hier schon gelegentlich zu kommentieren hatten. Ich erinnere an die Kunduz-Bombardierung: Sie musste stattfinden, hätte aber nicht stattfinden dürfen. Ich erinnere an die Sache mit der Wehrpflicht: Mit mir ist eine Abschaffung der Wehrpflicht nicht zu machen. – Am Ende wurde sie dann ganz abgeschafft. Oder ich erinnere an den Haushalt: Wir sparen 8,3 Milliarden Euro. – Ach nein, eigentlich brauchen wir 1,2 Milliarden Euro mehr. Und letzten Freitag hieß es: Keine Vorverurteilung. – Aber Stunden später ist der Kapitän von Bord. Man darf sich zwar korrigieren, aber man darf das doch nicht zu einem politischen Prinzip erheben.

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)

Stellen Sie sich vor, nachts um 3 Uhr klingelt bei Minister Guttenberg das Telefon. Es geht um eine ernste Gefahr. Er muss eine Entscheidung treffen. Dann sollte man Vertrauen haben können,

(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Haben wir!)

dass das die richtige Entscheidung ist und dass er sie am nächsten Morgen nicht wieder korrigieren muss. Auch sollte er nicht erst in der Nachttischschublade nachschauen, ob ein Journalist darin sitzt, der ihn beraten könnte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Das ist unterstes Niveau!)

Herr Minister, Kritik im Parlament dient auch dazu, Fehler in Zukunft zu vermeiden. Deshalb: Kritisieren Sie nicht die Kritik, sondern gehen Sie einmal in sich. Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÃœNDNISSES 90/DIE GRÃœNEN)

 

PDF-Dokumente

BT-Plenarprotokoll 26.01.2011 – Auszug Rede Bartels

BT-Plenarprotokoll 26.01.2011