Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße, dass Herr Staatssekretär Otto nicht mehr ganz alleine auf der Regierungsbank sitzt.
(Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: Ich auch!)
Er könnte mehr Gesellschaft haben. Schließlich geht es hier um ein Thema des Bundessicherheitsrats; dieser ist etwas größer als die Versammlung auf der Regierungsbank.
Ich will ein paar Anmerkungen zur Geschichte von Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien machen. Fangen wir einmal im Jahr 1990 an. Damals gab es die Anfrage nach der Lieferung von Fuchs-Spürpanzern. Die damalige Kohl-Regierung hat die Betreffenden – quasi mit langen Zähnen – hingehalten. Nach der Bundestagswahl und erneuten Erörterungen in der Bundesregierung gab es plötzlich im Februar 1991 eine Genehmigung. Worüber man sich schon damals wunderte, war der Preis: 36 gebrauchte Panzer für 446 Millionen D-Mark. Experten sagten, 100 Millionen D-Mark seien realistisch. Man hat dann später gerichtliche Nachforschungen darüber anstellen können. Ich lese Ihnen vor, was die Süddeutsche Zeitung über den Abschluss des Thyssen-Henschel-Prozesses am 12. Januar 2007 – es hat lange gedauert – geschrieben hat:
Im Gesamtpreis … waren etwa 220 Millionen sogenannter Provisionen versteckt. Der Löwenanteil davon ging mutmaßlich an Mitglieder der saudischen Königsfamilie. 28 Millionen aber kassierte der Lobbyist Karlheinz Schreiber. Ein Großteil dieses Geldes lagerte er auf Schweizer Rubrikkonten, deren Bezeichnungen verschlüsselt auf die Personen verwiesen, denen das Geld zugedacht war – „Holgart“ zum Beispiel für den früheren Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls.
„Winter“ stand für Winfried Haastert, „Jürglund“ für Jürgen Maßmann. Beide waren Manager bei Thyssen Henschel. Die Geschichte ist sicherlich dem einen oder anderen noch geläufig.
(Zuruf von der CDU/CSU: Was wollen Sie damit sagen?)
Es gab Haftstrafen auf Bewährung für die Manager. Herr Schreiber und Herr Pfahls haben versucht, sich durch Flucht der Strafverfolgung zu entziehen. Man hat sie dann eines Tages doch vor Gericht stellen können und beide zu Haftstrafen verurteilt.
Ein Ausfluss dieses Skandals, der damit noch nicht zu Ende war, war die Parteispendenaffäre 1999. Im Jahr 1991 ist 1 Million D-Mark von Herrn Schreiber an den damaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep übergeben worden. Niemand kann sagen, warum. 1994 wurden 100 000 D-Mark an Herrn Schäuble übergeben. Niemand weiß, warum. Es handelte sich eben um Spenden. 1999 wurde daraus eine Affäre, in deren Folge der damalige Parteivorsitzende Schäuble zurücktrat und Frau Merkel die Chance bekam, CDU-Vorsitzende zu werden. Heute hat sie als Bundeskanzlerin erneut über Lieferungen an Saudi-Arabien zu entscheiden. Ich kann ihr nur zurufen: Vorsicht bei Saudi-Arabien! Das ist ganz dünnes Eis. Bei der Lieferung deutscher Panzer an Saudi-Arabien geht es um eine Korruptionsgeschichte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÃœNDNISSES 90/DIE GRÃœNEN)
Zur Lieferung von Eurofightern von Großbritannien nach Saudi-Arabien wollte das Unterhaus einen Untersuchungsausschuss einrichten. Es ist zwar nicht dazu gekommen. Aber hier war von Korruption nicht allein die Rede. Vielmehr hat man dazu entsprechende Unterlagen gesammelt.
Ich erinnere an ein Projekt der EADS, die Absicherung der saudischen Grenze. Eine britische Firma ist in diesem Zusammenhang Gegenstand einer Untersuchung britischer Antikorruptionsermittler.
Jetzt reden wir über Leopard- und Boxer-Panzer. Ich hoffe, dass das in Ordnung ist. Wir können die Bundesregierung ja fragen.
(Klaus Barthel [SPD]: Das stellt sich in zehn Jahren heraus! – Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Was unterstellen Sie damit? Das ist ungeheuerlich!)
Unser Problem besteht darin, dass Sie ein Geschäft zu verteidigen versuchen, von dem Sie noch gar nicht sagen können, ob es überhaupt genehmigt ist. Worüber reden wir hier eigentlich?
(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Ihr habt die Aktuelle Stunde beantragt, nicht wir!)
Das ist das Problem der Rüstungsexportpraxis. Wir brauchen eine Information des Parlaments, wenn es im Bundessicherheitsrat positive Entscheidungen gegeben hat, insbesondere dann, wenn diese mit einem Strategiewechsel verbunden sind. Die Aussage von Frau Bundeskanzlerin, neue Partnerschaften zu suchen, ist schon zitiert worden. Dazu kann ich nur sagen: Über Partnerschaften in der Welt kann man reden. Die wollen wir suchen. Wir haben eine solche mit Indien und wollen sie mit Australien. Aber Saudi-Arabien ist ganz bestimmt kein strategischer Partner und kein Partner für den Rüstungsexport aus Deutschland.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Eine strategische Rede war das auch nicht!)
PDF-Dokumente
BT-Plenarprotokoll 12.12.2012 komplett
BT-Plenarprotokoll 12.12.2012 – Ausschnitt Bartels – Debatte Rüstungsexporte