Interview mit Hans-Peter Bartels in der Neuen Westfälischen Zeitung vom 12. Dezember 2012

Am Freitag stimmt der Bundestag über die Stationierung von Patriot-Raketenan der türkisch-syrischen Grenze ab. Sagt die SPD Ja zu diesem NATO-Einsatz?

 

HANS-PETER BARTELS: Ja, wir werden dem Mandat zustimmen. Die Türkei ist ein NATO-Partner, der sich in einer schwierigen Situation sehr verantwortlich verhält, sich nicht provozieren lässt und 100.000 Flüchtlinge aufgenommen hat. Die Türkei hat um die Stationierung gebeten. Nun ist Solidarität gefragt. Es handelt sich um eine rein defensive Maßnahme. Es geht um die mögliche Abwehr von Scud-Mittelstreckenraketen, die Syrien besitzt, im Extremfall als Trägersysteme für Chemiewaffen.

Im Bundestag geht es heute in einer Aktuellen Stunde um die Rüstungsexporte. Diese haben unter Schwarz-Gelb stark zugenommen. Was halten Sie davon?

BARTELS: Das ist alarmierend. Hier wird offensichtlich unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit im Bundessicherheitsrat ein Paradigmenwechsel in der deutschen Sicherheitspolitik vollzogen. Angela Merkel will einzelne Staaten in Krisenregionen durch Rüstungsexporte zu sogenannten Stabilitätsankern machen. Das wäre eine völlig neue Sicherheitspolitik. Aus meiner Sicht gibt es Staaten, die für Waffenexporte gänzlich ungeeignet sind, dazu gehört Saudi-Arabien. Wir brauchen eine politische, öffentliche Diskussion und ein klares Stoppschild für solche Staaten, die unter die bisherigen Rüstungsexportbeschränkungen fallen.

Saudi-Arabien, eines der zehn autoritärsten Länder der Erde, soll offenbar 270 Leopard-2-Panzer bekommen, und jetzt sind Radpanzer des Typs Boxer im Gespräch. Die Bundesregierung sagt: Saudi-Arabien fühlt sich durch den Iran bedroht, der Israel auslöschen will. Ist der Feind meines Feindes mein Freund?

BARTELS: Es ist die alte Logik aus den Anfangsjahren des Kalten Kriegs. Seit rot-grünen Zeiten haben wir verschärfte Rüstungsexport-Richtlinien. Nun spielen andere Kriterien eine Rolle, etwa ob das Land die Menschenrechte einhält und ob es sich um ein Spannungsgebiet handelt. Das alles spricht klar gegen Saudi-Arabien. Außerdem haben wir die absurde Situation, dass die Bundesregierung uns Parlamentariern nicht sagt, was sie im Sicherheitsrat eigentlich beschlossen hat. Die erste Frage lautet also: Will die Bundesregierung diese Panzer tatsächlich an Saudi-Arabien liefern? Wenn das so ist, muss sie sich dafür rechtfertigen. Wir fordern grundsätzlich mehr Transparenz. Positive Exportbeschlüsse müssen zeitnah veröffentlicht werden, nicht erst anderthalb Jahre später im Rüstungsexportbericht.

Die SPD würde also keine Panzer nach Saudi-Arabien liefern?

BARTELS: So ist es. Wir würden weder Leopard noch Boxer nach Saudi-Arabien liefern.

Merkel meint, dass Deutschland lieber Rüstung verkaufen sollte, als Soldaten zu schicken.

BARTELS: Man kann ja durchaus darüber nachdenken, ob man strategische Partnerschaften außerhalb unserer Bündnisse NATO und EU eingeht. Ich denke da aber an demokratische Länder wie Australien oder Indien, ganz bestimmt nicht an Saudi-Arabien.

Die Rüstungswirtschaft drängt auf Lockerung der Exportrichtlinien. Durch die Bundeswehrreform setzt sie hierzulande weniger Rüstungsgüter ab als vorher.

BARTELS: Das ist kein Grund für die Zusammenarbeit mit autoritären, menschenverachtenden Regimen. Es gibt den begreiflichen Wunsch der Industrie, ihre Kapazitäten auszulasten, aber es steht in den Exportrichtlinien, dass genau das kein Kriterium sein kann. Außerdem wird es in der Bundeswehr durchaus bedeutende neue Vorhaben geben, zum Beispiel große Transporthubschrauber oder neue Patrouillenschiffe.