Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deutschen Bundestag am 13. März 2008 in der Bundestagsdebatte zur Erhöhung des Wehrsoldes

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Homburger, der feste Wille der Koalitionsfraktionen ist, dass es nicht bei dieser Erhöhung des Wehrsoldes bleibt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Max Stadler [FDP]: Was zu gegebener Zeit zu beweisen wäre! – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist immer nur die Frage, wann!)

Nach neun Jahren nehmen wir – Gott sei Dank – wieder einmal eine Erhöhung vor. Auch nach meinem Gefühl ist ein bisschen viel Zeit vergangen. Eine Erhöhung um 2 Euro – das entspricht einer Erhöhung um 25 Prozent – hört sich nicht nach viel an.

Aber wir reden hier in der Tat nicht über Gehälter, sondern über den Wehrsold. Er musste allerdings dringend angehoben werden; denn in der Zwischenzeit sind die Tariflöhne nach den Zahlen der Hans-Böckler-Stiftung um 20 Prozent gestiegen. Eine Erhöhung war also dringend geboten.

Schon die letzte Erhöhung 1999 um 1 DM war knapp bemessen. Damals hatte die SPD beantragt – ich war noch nicht Mitglied des Bundestages –, eine Erhöhung um 2 DM durchzuführen. Vielleicht sollte man in Zukunft nicht mehr so lange bis zur nächsten Erhöhung warten und es sich damit ersparen, in einer gewaltigen Aktion eine Erhöhung durchzuführen. Man sollte die Erhöhung des Wehrsolds lieber an lineare Erhöhungen, die es für Angehörige des öffentlichen Dienstes auf anderem Wege gibt, koppeln. Das haben die Wehrpflichtigen verdient.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich bin sehr froh, dass wir gegen den Widerstand der Haushälter – nicht alle in diesem Haus waren zunächst willens, Geld in die Hand zu nehmen – eine Erhöhung um 2 Euro statt einer Erhöhung um 1 Euro durchsetzen konnten. Dass dies möglich ist, ist das Ergebnis der Anstrengungen der Verteidiger in beiden Koalitionsfraktionen. Wir sind froh, dass wir auch die FDP und die Grünen dabei an unserer Seite haben.

Wir fragen uns natürlich immer, ob das Geld, das wir der Bundeswehr zur Verfügung stellen, richtig angelegt ist. Wir ziehen nun zusätzliche Wehrpflichtige ein – die zugrunde liegenden Probleme wurden schon angesprochen; auch der Minister hat dies getan –, um den Aspekt der Wehrgerechtigkeit zu beachten. Diese 6 700 zusätzlich eingezogenen Wehrpflichtigen kosten mehr Geld. Es kann eigentlich nur – um mit Bismarck zu sprechen – ein System der Aushilfen sein. Das ist zwar nicht schlecht. Aber wir sollten zu einer anderen Systematik und zu einer intelligenten Weiterentwicklung der Wehrpflicht kommen, damit wir sie bewahren. Wir sollen unter den neuen Bedingungen mehr Freiheit und mehr Freiwilligkeit gewährleisten. Dazu wird mein Kollege Maik Reichel nachher noch einiges sagen.

Ich will zur Attraktivität der Bundeswehr noch ein paar Worte verlieren. Durch die Erhöhung des Wehrsoldes wird der Dienst in der Bundeswehr substanziell nicht wirklich attraktiver.

(Dr. Max Stadler [FDP]: Sehr vorsichtig ausgedrückt!)

Das ist ein kleines Element. Aber es gibt auch andere Aspekte, die für Wehrpflichtige heute zumindest genauso wichtig, wahrscheinlich noch wichtiger, sind. Das ist zunächst einmal die Planbarkeit des Zeitpunkts für den Dienstantritt. Wann wird man gezogen? An welchem Ort wird man stationiert? Es geht auch darum, inwieweit den Wünschen der Wehrpflichtigen Rechnung getragen wird. In welchem Bereich können sie tätig werden? Wenn man mit Wehrpflichtigen spricht, erfährt man, dass die Ausgestaltung des Dienstes nicht immer zufriedenstellend ist. Es gibt auch das Problem der Unterforderung. Wir sind der Meinung, dass Wehrpflichtige in der Bundeswehr gefordert werden wollen und können. Wir wollen, dass Wehrpflichtige nicht nur Handlangertätigkeiten ausführen, sondern in verantwortlicher Weise Dinge tun können, die ihrem Ausbildungsstand entsprechen. Die Ausgestaltung des Dienstes – weg vom Gammeldienst, über den wir schon vor 25 Jahren diskutiert haben – bleibt ein Thema für die Bundeswehr, auch wenn sie heute weniger Wehrpflichtige für die Aufrechterhaltung ihres Dienstbetriebes braucht.

Ein weiteres Thema wäre der Zustand der Unterkünfte. Diesbezüglich haben wir allerdings schon einiges auf den Weg gebracht. Das Sonderprogramm für die Sanierung der Kasernen ist für die Attraktivität des Dienstes ein wichtiger Punkt. Der Minister hat es schon angesprochen: Dass 50 Prozent der Zeit- und Berufssoldaten aus der Gruppe der Grundwehrdienstleistenden gewonnen werden – sie wissen also nicht schon vorher, dass sie diesen Beruf für längere ergreifen wollen; sie tun dies, weil sie die Bundeswehr kennengelernt haben –, ist ein Beleg dafür, dass wir erstens die Wehrpflicht brauchen und dass zweitens der Wehrdienst attraktiv sein muss. In der Bundeswehr muss man die Erfahrung machen, dass es sich lohnt, dabei zu bleiben.

Wenn wir über die Zukunft der Wehrpflicht reden, dann müssen wir uns in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen, wie sinnvoll es ist, dass der Wehrdienst innerhalb von neun Monaten absolviert wird. Wenn wir im Rahmen der Weiterentwicklung der Wehrpflicht zu einem anderen, intelligenteren Modell übergehen, dann muss dieser Zeitraum noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden. Zwölf Monate – solange dauern andere vergleichbare Dienste; und so lange hat der Wehrdienst früher auch über eine lange Zeit gedauert – sind sicherlich eine planbarere Größe als die Untergrenze von neun Monaten, die zurzeit besteht.

(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wir hatten auch schon 18!)

Aber für viele kommt die Grenze von neun Monaten ja auch gar nicht zum Tragen; viele leisten freiwillig einen längeren Wehrdienst ab. Lassen Sie mich eine Bemerkung zur generellen Attraktivität des Wehrdienstes machen. Der Bundeswehrverband hat unter seinen Mitgliedern entsprechende Umfragen durchgeführt. Über die Repräsentativität dieser Umfragen kann man sicherlich streiten; aber die Tatsache, dass die Ergebnisse in eine bestimmte Richtung tendieren, muss uns doch dazu bringen, auch über das nachzudenken, was über die Wehrpflicht an sich hinausgeht, nämlich die Attraktivität des Wehrdienstes für Zeit- und Berufssoldaten. Denn was diese Soldaten über den Wehrdienst sagen, wirkt sich darauf aus, wie attraktiv die Bundeswehr in der Gesellschaft und in der Generation derjenigen, die in die Bundeswehr nachrücken, wahrgenommen wird. Wenn das Signal aus der Bundeswehr ist: Es lohnt sich nicht, Wehrdienst zu leisten, ich würde das meinen eigenen Kindern nicht empfehlen, dann ist das ein Problem. Wir müssen daran arbeiten, dass die Berufe der äußeren Sicherheit von den materiellen Bedingungen, von der Planbarkeit und der Familienfreundlichkeit her ähnlich attraktiv werden, wie es die Berufe der inneren Sicherheit – Polizei – in den vergangenen Jahren nach und nach geworden sind. In diesem Bereich hat die Bundeswehr Nachholbedarf. Wir werden das Ministerium bzw. die Bundesregierung dabei unterstützen, in diesem Bereich mehr zu tun. Heute geht es um 2 Euro. Der Antrag der FDP-Fraktion ist damit sozusagen auf freundliche Art und Weise erledigt.

(Zuruf von der FDP: Nach knapp einem Dreivierteljahr!)

Ich bin froh, dass wir hier gemeinsam eine Debatte führen, die in die gleiche Richtung führt. Wir haben zwar unterschiedliche Argumente; aber wir alle wollen, dass die Wehrpflicht für die jungen Wehrdienstleistenden – auch die Zivildienstleistenden – materiell ein kleines bisschen attraktiver, dass die Besoldung angemessener wird. Ich bin froh, dass wir dafür heute die Zustimmung des Hauses in dieser Breite erhalten. Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

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BT-Protokoll

BT-Protokoll – Auszug Rede Bartels