Friedbert Meurer: Bundespräsident Joachim Gauck hat jüngst dafür geworben, erneut geworben, dass Deutschland außenpolitisch und auch militärisch mehr Verantwortung übernehmen soll. Seitdem muss er einige Schmähungen ertragen, zum Beispiel, er sei ein widerlicher Kriegshetzer. Von der Bundesverteidigungsministerin, Ursula von der Leyen, weiß man, dass sie in dieser Frage ähnlich wie der Bundespräsident denkt, und Berichten zufolge will sie sich diese Woche erklären, ob die Bundeswehr nicht nur Aufklärungsdrohnen, sondern auch Kampfdrohnen anschaffen will, Drohnen, die mit Waffen, mit Raketen bestückt werden können. Heute gibt es eine Anhörung im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages.
Ein heikles Thema, hoch emotional die Frage, ob die Bundeswehr mit Kampfdrohnen ausgestattet werden soll. – Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestages, wo es heute ab 13 Uhr die Anhörung dazu gibt, ist Hans-Peter Bartels von der SPD. Ihn habe ich kurz vor der Sendung gefragt: Haben Sie sich in der Frage nach bewaffneten Drohnen schon entschieden?
Hans-Peter Bartels: Ich habe mich damit ja schon etwas länger beschäftigt und im letzten Jahr haben wir im Bundestag allein fünf Plenardebatten zu dem Thema gehabt. Ich habe in all diesen Debatten gesprochen und da sehr deutlich meine Skepsis zum Ausdruck gebracht, dass wir für die Bundeswehr bewaffnete Drohnen brauchen. Aber ich glaube nicht, dass das das realistische Szenario ist für den Einsatz von Drohnen, die Deutschland beschaffen sollte.
Meurer: Warum sind Sie skeptisch?
Bartels: Wir kennen das Einsatzszenario der Amerikaner. Das ist eine Praxis, wo auch im Koalitionsvertrag festgehalten ist, dass wir das für völkerrechtswidrig halten, diese extra legalen Tötungen, für die die Amerikaner natürlich schon eine Begründung, eine rechtliche Grundlage heranziehen. Wir halten das nicht für tragfähig. Man kann nicht in fremden Ländern gezielte Tötungen durch bewaffnete Drohnen vornehmen. Andere Szenarien, die gelegentlich vorgetragen werden, auch im letzten Jahr durch den damaligen Verteidigungsminister de Maizière vorgetragen wurden, etwa luftnahe Unterstützung für kämpfende Truppen am Boden, sind nicht sehr überzeugend. Ich habe da auch die Bundesregierung mal gefragt, wie oft ist das denn in den 13 Jahren, die wir in Afghanistan gemeinsam mit den Amerikanern, mit der NATO im Einsatz sind, wie oft ist das vorgekommen im Zusammenhang mit deutschen Truppen, und insgesamt waren es zwei solcher Einsätze.
Meurer: Auf der anderen Seite: Die Bundeswehr sagt selbst, wir brauchen das zum Eigenschutz. Warum soll nicht eine Drohne helfen, wenn Bundeswehrsoldaten in große Gefahr geraten?
Bartels: Die Bundeswehr hat ja in der Luftwaffe Jagdbomber-Geschwader für die Unterstützung von am Boden kämpfenden Truppen. Sie hat im Zulauf jetzt den Kampfhubschrauber Tiger für die luftnahe Unterstützung des Heeres. Ein weiteres Mittel ist sicher immer denkbar. Aber die Drohne ist nichts prinzipiell anderes. Sie würde nach den gleichen Grundsätzen eingesetzt werden wie die luftnahe Unterstützung, über die wir jetzt verfügen.
„Keine neue Anforderung“
Meurer: Eben! Dann kann man ja auch sagen, dann lasst sie uns anschaffen.
Bartels: Ja. Aber es gab keine zusätzliche neue operative Anforderung, und vor dem Hintergrund dessen, was wir aus der Praxis der amerikanischen Drohneneinsätze wissen, glaube ich, müssen wir uns hier heute nicht in so eine Situation begeben, eine Trennung zu machen. Das was die Amerikaner tun finden wir falsch, so würden wir sie nicht einsetzen. Aber wir haben darüber hinaus Zwecke, für die die Bundeswehr dies braucht. Die Bundeswehr hat im Moment diese Zwecke abgedeckt durch die Mittel, die sie hat.
Meurer: Für Sie ist also die Drohnentechnik, Herr Bartels, nicht ethisch neutral, wie das der frühere Verteidigungsminister einmal formuliert hat?
Bartels: Nein, weil man sie so und so einsetzen kann. Das heißt, man muss entscheiden, wofür man Drohnen braucht, und wenn wir über Drohnen sprechen, dann ja zunächst mal über ein Trägerflugzeug, ein unbemanntes Flugzeug, das Aufklärungstechnik tragen kann, etwa für Fotos, für Bilder, für Live-Bilder vom Boden, immer mit einer gewissen Zeitverzögerung, aber ein gutes Lagebild auch für Aufklärungstechnik, wie wir es mit dem Euro-Hawk haben wollten, signalerfassende Aufklärung. Das ist Technik, die wir unbedingt brauchen, die wir bisher schon hatten mit bemannten Flugzeugen und wo der Vorteil der Drohne ist, dass sie einfach sehr, sehr viel länger im Einsatzgebiet stehen kann, dass wir länger ein Lagebild haben.
Meurer: Noch mal zu diesem ethisch neutral. Wir erinnern uns alle noch an diesen furchtbaren Zwischenfall in Kundus: 140 Tote bei den Tanklastzügen. Das waren aber keine Drohnen, das waren US-Kampfjets gewesen, die auf Kommando hin den Auftrag ausgeführt haben zu bombardieren. Was hätte es geändert, wenn da Drohnen zum Einsatz gekommen wären?
Bartels: Das hätte an dem Ergebnis wahrscheinlich nichts geändert. Aber wir sehen, dass es in jedem einzelnen Fall einer Entscheidung bedarf, wie man vorgeht, auf welcher Grundlage gehandelt wird, und die Grundlagen, die für die Jagdbomber der Amerikaner damals galten, die würden für Drohnen auch gelten. Worüber wir uns dann im Untersuchungsausschuss, der dazu eingerichtet wurde, ja informiert haben ist, dass man sich damals nicht an die Einsatzregeln gehalten hat.
Meurer: Der Luftwaffeninspekteur macht Druck, will diese Drohnen haben, die man auch bewaffnen kann. Das beeindruckt Sie nicht?
Bartels: Nein. Ich glaube, er hat vor allem ein Argument: das ist die Interoperabilität, also die Zusammenarbeitsfähigkeit mit den Amerikanern. Man möchte dann schon genau das haben, was die Amerikaner auch haben. Da bin ich skeptisch, dass das für uns nötig ist, zumal ich auch keine amerikanische Beschaffung empfehlen würde, auch für Aufklärungsdrohnen nicht. Wir haben im letzten Jahr beim Thema Euro-Hawk gelernt, dass es Blackboxes gibt, Technik, die die Amerikaner nicht exportieren. Wir konnten das Flugzeug, den Euro-Hawk kaufen. Was wir nicht kaufen konnten war das Missionsplanungssystem, das blieb in den USA.
„In die Entwicklung eines Trägers einsteigen“
Meurer: Es geht ja nicht nur um die Zusammenarbeit mit den USA, Herr Bartels. Was ist, wenn die anderen Partner, Großbritannien, Frankreich oder Spanien, mitziehen? Können wir daneben stehen, nicht mitmachen?
Bartels: Ich glaube, wir sollten mit den Partnern, mit Frankreich und Italien insbesondere, in die Entwicklung eines Trägers einsteigen, also einer europäischen Drohne. Und die Frage, ob es ein Szenario gibt, für das diese Drohne bewaffnet werden muss, die können wir dann entscheiden, wenn die Entwicklung einigermaßen am Ende ist und wenn wir in eine Beschaffung einsteigen. Den Träger brauchen wir in jedem Fall für die Aufklärungstechnik, die wir heute schon haben, die weiterentwickelt wird und die wir ganz bestimmt in den 20er-Jahren des nächsten Jahrzehnts auch brauchen werden.
Meurer: Das klingt jetzt so, eine Hintertür lassen Sie doch offen.
Bartels: Ich sage nicht, dass es völlig unvorstellbar ist, dass es ein Szenario geben könnte, in dem man bewaffnete Drohnen brauchen kann. Ich sehe im Moment das Szenario nicht. Das was vorgetragen wird, luftnahe Unterstützung für kämpfende Truppen am Boden, das ist kein Szenario, für das wir extra Kampfdrohnen brauchen.
Meurer: Was werden Sie machen, Herr Bartels, was wird die SPD machen, wenn die Bundesverteidigungsministerin, Frau von der Leyen, diese Woche zu erkennen gibt – damit rechnet man ja -, dass sie diese Systeme anschaffen will?
Bartels: Wir haben ja eine Koalition. Wir werden uns in der Koalition darüber verständigen, welches jetzt die nächsten anstehenden Entscheidungen sind, und da kann sicher auch die Anhörung im Ausschuss helfen, denn es geht ja noch mal darum, klarzumachen, welche völkerrechtlichen, welche sicherheitspolitischen, auch welche rüstungskontrollpolitischen Aspekte mit dem Thema Drohnen verbunden sind. Es geht nicht nur um Zulassungsrechte wie letztes Jahr beim Euro-Hawk, sondern es geht schon um sehr grundsätzliche Fragen. Wir werden die jetzt anstehenden Entscheidungen in der Koalition gemeinsam treffen können. Ich glaube, die Entscheidung Kampfdrohnen, europäische Kampfdrohne, muss jetzt noch nicht abschließend sein, sondern wir müssen die Technik des Trägers entwickeln. Wir brauchen eine gemeinsame europäische Flugzeugentwicklung unbemannt.
Meurer: Ist es so ganz falsch zu sagen, Sie spielen auf Zeit?
Bartels: Ich würde sagen, es steht uns gut an, die Entscheidungen zu treffen, die jetzt zu treffen sind unter den Bedingungen und mit den Informationen, die wir heute haben können. Ich sehe im Moment kein Szenario für den Einsatz von Kampfdrohnen durch die Bundeswehr. Das amerikanische Szenario lehnen wir ab, und zwar als Koalition insgesamt. Das andere wird auch ein Gegenstand sein. Ich bin mal gespannt, ob vielleicht auch anderes vorgetragen wird als das, was wir bisher gehört haben.
Meurer: Und Ursula von der Leyen werden Sie erst mal stoppen?
Bartels: Ich weiß gar nicht, was Ursula von der Leyen sagen wird. Sie wird sich möglicherweise auch die Argumente anhören und sie hat sich öffentlich bisher noch nicht festgelegt.
Meurer: Hans-Peter Bartels, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, von der SPD ist skeptisch darüber, ob die Bundeswehr Drohnen anschaffen soll, die man bewaffnen kann. Herr Bartels, danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Bartels: Ich danke Ihnen!
Das Interview finden Sie auch als Audio-Datei auf der Seite des Deutschlandfunks.