Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deutschen Bundestag am 31. Januar 2013 im Rahmen der Aktuellen Stunde zur Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels hat das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Dafür und dagegen, in einer Person!)

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum kommt plötzlich so eine Hektik in die Debatte über die Anschaffung neuer Drohnen für die Bundeswehr? Warum soll vor der Bundestagswahl noch eine Kaufentscheidung über drei – drei! – bewaffnungsfähige UAVs getroffen werden?

(Michael Brand [CDU/CSU]: Was spricht dagegen?)

Glaubt die Koalition ernsthaft, dass das Thema „Kampfdrohnen – ja oder nein?“ ein gutes Mobilisierungsthema ist,

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Sie wollen es nutzen im Wahlkampf! – Michael Brand [CDU/CSU]: Was spricht denn dagegen?)

nach dem Motto: „Hier die Hardlinerparteien, dort die Wattebauschparteien“? Viel Vergnügen mit dieser Pappkameradeninszenierung, Kollege Hahn!

Ich fordere Sie auf: Nehmen Sie das Tempo raus, und klären Sie erst einmal die Fragen, von denen Sie gestern noch selbst der Meinung waren, dass sie geklärt werden müssen, Herr Minister!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wie ist die Haltung der Bundesregierung zur amerikanischen Kampfdrohnenpraxis in Pakistan und anderswo?

(Elke Hoff [FDP]: Was hat das mit der Beschaffung zu tun? Herrgott!)

Was sagen Sie den Amerikanern? Ist das Einzige, was Sie ihnen sagen: „Wir wollen auch solche Maschinen haben, aber wir wollen sie natürlich ganz anders einsetzen als ihr“? Klären Sie Ihre Position, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht nicht um Banalitäten. Selbst wenn diese Automaten in erklärten, bewaffneten Konflikten, vielleicht sogar unter UNO-Mandat, eingesetzt werden, ist doch längst nicht alles business as usual.

Uns liegt ein Bericht des Bundestagsbüros für Technikfolgenabschätzung vor. Dort heißt es:

Mit den Trends zur Depersonalisierung und Automatisierung des Schlachtfelds sind auch dringliche ethische Fragen bezüglich technischer Systeme als „moralisch Handelnde“ aufgeworfen.

Es geht um die Frage – ich zitiere weiter –,

ob und inwiefern menschliche Entscheidungsträger im Zusammenspiel mit technischen, zunehmend auch autonomen Systemen ihrer Verantwortung gerecht werden können …

Ihre Aussage, die Drohnentechnik sei ethisch neutral, wollen Sie bitte nicht ernst gemeint haben, Herr Minister. Das amerikanische Beispiel der gezielten Tötungen von Verdächtigen aus der Luft ist kein Vorbild für uns. Aber auch das Szenario, das dem deutschen Verteidigungsminister vorschwebt, gewissermaßen Close Air Support im Gefecht einzelner Heerespatrouillen, ist nicht banal. Feuern wir zum Beispiel – nehmen wir das Szenario Afghanistan; es wird nicht so kommen, weil die Drohnen gar nicht vorhanden sind; aber wenn es so wäre – auf erkannte Kämpfer, wenn sie sich aus dem Gefecht lösen und fliehen? Sollen sie dann aus der Luft vernichtet werden? Auf wessen Befehl: des Zugführers vor Ort oder des Drohnenführers, der irgendwo in einem Container sitzt?

Die NATO verfolgt in Afghanistan spätestens seit 2009 nicht das Ziel, möglichst viele gegnerische Kämpfer zur Strecke zu bringen. Erinnern wir uns an den Kunduz-Vorfall und an den Untersuchungsausschuss. Ich zitiere aus einem Tagesbefehl des damaligen COMISAF General McChrystal: In der üblichen Wahrnehmung bleiben, wenn aus einer Gruppe von zehn Aufständischen zwei getötet werden, acht übrig; zehn minus zwei gleich acht. Vom Standpunkt der Aufständischen sind die beiden Getöteten aber wahrscheinlich verwandt mit vielen anderen, die Rache üben werden. Wenn es zivile Opfer gibt, wird diese Zahl noch größer sein. Der Tod von Zweien bringt deshalb etliche zusätzliche Rekruten hervor: 10 minus 2 gleich 20. – Das ist ein Teil der Begründung dafür, dass, so McChrystal damals, acht Jahre im Einzelfall erfolgreicher Waffeneinsätze am Ende zu mehr Gewalt geführt haben.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Sind die Amerikaner jetzt die Guten oder die Bösen?)

Das sagt der NATO-Oberbefehlshaber in Afghanistan nach dem von uns gewollten Strategiewechsel in Afghanistan. Diese Einschätzung teilen wir.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Und jetzt zurück zur Drohne!)

Kampfdrohnen sind nicht die Lösung. Sie sind nicht die richtige, angepasste Militärtechnik für Counter-Insurgency, falls man das im Kopf haben sollte. Zu den drei bewaffnungsfähigen Drohnen, die ab 2016 in Jagel stationiert werden könnten: Was ist deren militärischer Beitrag zur Lösung welcher Konflikte? Was kann die Bundeswehr dann besser als heute? Was kann sie dann, was sie jetzt nicht kann? Ich empfehle uns: Lassen Sie uns die Zeit nehmen, um eine vernünftige, abgewogene Diskussion zu führen! Dabei kann die Option der Bewaffnungsfähigkeit eine Rolle spielen. Wir brauchen aber keine ideologische und keine auf den Wahlkampf ausgerichtete Diskussion.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Sie machen doch Wahlkampf!)

Ich glaube übrigens nicht, dass die Zeit der bewaffneten Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber vorbei ist. Wir sind uns einig, was die Anschaffung von großen UAVs zur Aufklärung angeht. Aber dann machen Sie mal Druck, Herr Minister, damit die Probleme des Euro-Hawk in Manching gelöst werden. Davon brauchen wir insgesamt fünf für die SIGINT-Aufklärung – die alten Bréguet Atlantique sind längst außer Dienst gestellt –, plus fünf Euro-Hawk in der IMINT-Version: Optik, Infrarot, Radar. Oder haben Sie das Projekt schon aufgegeben?

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Nee, nee!)

Unsere künftige mittlere Drohne, von der Sie langfristig weniger als 20 Stück einplanen, sollte ein deutschfranzösisches Projekt sein, vielleicht unter Beteiligung anderer Nationen. Ob sie auch bewaffnungsfähig sein soll, müssen wir dann klären. Es sollte jetzt aber keine Vorfestlegungen geben.

Wenn Sie ein Projekt suchen, bei dem Sie jetzt schnell entscheiden sollten, am besten noch vor der Bundeswahl: Das ist die Beschaffung eines neuen Marinehubschraubers. Diese Entscheidung ist seit sieben Jahren überfällig.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)