Gastbeitrag von Hans-Peter Bartels für das Handelsblatt vom 22. Januar 2013

Deutschlands Rolle in der Welt soll sich nach dem Willen der Regierung ändern: weg vom Primat der alten Bündnisse, hin zu neuen „strategischen Partnerschaften“ mit mehr oder weniger seriösen Rüstungskunden. Im gewohnt bürokratischen Vermerk-Deutsch trug die Kanzlerin auf der jüngsten Bundeswehr-Kommandeurstagung einen neuen Gedanken vor: „Um unsere sicherheitspolitischen Ziele erfolgreich verfolgen zu können, sind wir als EU- oder als Nato-Partner darauf angewiesen, dass in Zukunft auch andere Länder Verantwortung übernehmen. Das sage ich ganz besonders im Hinblick auf Schwellenländer.“

Nach Hinweisen auf die Bedeutung von regionalen Organisationen wie der Arabischen Liga präzisierte die Kanzlerin ihre neue „Andere Länder“ -Strategie: „Oftmals reicht es nicht, neue Partner nur zu ermutigen. Vielmehr geht es auch um Ertüchtigung. Ertüchtigung setzt bei guter Regierungsführung an. Sie kann ebenso Ausbildung wie Unterstützung bei der Ausrüstung bedeuten.“ Im Klartext: Mehr Rüstungsexport in „andere Länder“, um „Sicherheit“ zu exportieren, ohne selbst militärisch intervenieren zu müssen.

Ist das, so beiläufig es gesagt wird, eine Selbstverständlichkeit? Klar: Die Welt hat sich geändert, der Nato steht kein Warschauer Pakt mehr gegenüber; die Konflikte der Welt können nicht alle von Europa aus gelöst werden. Aber nein, nicht jeder vermeintliche Stabilitätsanker in einem Spannungsgebiet wird dadurch zum legitimen Exportkunden der deutschen Rüstungsindustrie! Genau genommen schließen die geltenden Rüstungsexportgrundsätze viele Geschäfte mit Ländern außerhalb von Nato und EU aus. Neben den Kriterien „Menschenrechte“ und „Spannungsgebiete“ soll grundsätzlich eine „restriktive“ Genehmigungspraxis für „sonstige Länder“ gelten. Diese Kriterien etwa für Kriegswaffenexporte an das Autokratenregime Saudi-Arabiens hinzubiegen, dürfte schwerfallen. Gleichwohl will man liefern.

Auffällig ist, dass die Regierung neuerdings bestimmte Länder als „strategische Partner“ Deutschlands bezeichnet. Auf die Nachfrage, was dies bedeute, antwortet das Auswärtige Amt: „Die Verwendung des Begriffs ist über die Jahre gewachsen und bezieht sich auf den Einzelfall. Er beschreibt keine einheitliche oder nach exakten Kriterien definierte Kategorie der Beziehungen zwischen Staaten.“ Ausdrücklich vereinbart hat Deutschland sechs „strategische Partnerschaften“ mit Brasilien, China, Indien, Russland, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Vietnam. Hinzu kommen ggf. über EU-Vereinbarungen „strategische Partnerschaften“ mit Japan, Südkorea und Südafrika. In der Beantwortung einer weiteren Anfrage schreibt die Regierung, aus sicherheitspolitischer Sicht sei Saudi-Arabien „wichtiger strategischer Partner im arabischen Raum“. Heißt das: ein willkommener Rüstungsexportkunde?

Offenkundig: Die „Strategie“-Frage muss raus aus Abwiegelei, Geheimniskrämerei und Totschweigen. Richtig ist: Auch andere – Indien, Brasilien – müssen Pflichten übernehmen und dürfen Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe aus EU- und Nato-Staaten erwarten. Aber Deutschland darf nicht zynisch hinwegsehen über Menschenrechtsverletzungen, die der eigene Menschenrechtsbericht dokumentiert.