Rede von Hans-Peter Bartels in der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages am 23. Februar 2011 aus Anlass der Plagiatsvorwürfe gegen den Bundesminister der Verteidigung Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, es ist schon unglaublich, wie Sie sich hier hinstellen und sagen: Ich habe mich entschuldigt. Das muss reichen. Schwamm drüber! – Wenn das Schule macht, dann haben wir bald eine andere Republik.

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: „Wenn Sie so weitermachen, haben wir auch bald eine andere Republik!“)

Manche sagen, es gibt Wichtigeres als die Fehler und Verfehlungen des Verteidigungsministers. Das ist wahr. Die Angehörigen von Soldaten, die in Afghanistan kämpfen und Leib und Leben riskieren, müssen über die Rangfolge der Nachrichten verbittert sein. Wenn die Bild-Zeitung am Samstag in Riesenbuchstaben die Sensation meldet, dass der Minister nicht zurücktritt, und daneben viel kleiner vom Tod deutscher Soldaten berichtet, dann ist das eine grobe Verzerrung der Maßstäbe.

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Bundeswehr, meine Damen und Herren, ist wichtiger als dieser Minister. Unsere Bundeswehr braucht einen Minister, dessen Worte etwas bedeuten, der nicht heute so und morgen so redet, gerade wie das Publikum es hören will.

(Beifall des Abg. Dr. Hermann Ott [BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN])

Was soll es bedeuten, lieber Herr zu Guttenberg, wenn Sie in einer Rede in der Führungsakademie der Bundeswehr sagen, dass Sie sich vom Prinzip „Klarheit und Wahrheit“ leiten lassen?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÃœNDNISSES 90/DIE GRÃœNEN)

Was bedeutet „Klarheit und Wahrheit“ für Sie? Ich will gar nicht über das Täuschen und Tarnen in Ihrer Doktorarbeit im Einzelnen reden. Sie haben bei Einreichung des Werkes eine ehrenwörtliche Erklärung abgegeben, dass Sie die Dissertation selbstständig verfasst und keine anderen als die von Ihnen angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt haben.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das war ehrenwörtlich!)

Das war nicht wahr, oder? Was bedeutet Ihr Ehrenwort, Herr Minister? Sie führen als Verteidigungsminister auch die Universitäten der Bundeswehr. In Ihrer Rede an der Führungsakademie haben Sie gesagt – Zitat –: Führen durch Vorbild: Daran müssen wir uns täglich erinnern. Ja, daran will ich Sie erinnern. Was ist das für ein jämmerliches Vorbild, wenn einer durch Täuschung einen Doktortitel erwerben will?

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

„Wahrheit und Klarheit“: Was bedeutet es, wenn Sie im Kabinett einerseits einer Einsparung von 8 Milliarden Euro im Haushalt der Bundeswehr zustimmen und gleichzeitig eine Bundeswehrreform planen, für die Sie zusätzliches Geld brauchen? Die Wahrheit ist, dass bei Ihrer Bundeswehrreform noch überhaupt nichts klar ist. Was bedeutet es, wenn der Verteidigungsminister sagt: „Mit mir ist die Abschaffung der Wehrpflicht nicht zu machen“? Das bedeutet, wie wir gesehen haben, dass er sich ein paar Monate später dafür feiern lässt, dass er die Wehrpflicht abschafft. Übrigens: Was wir jetzt haben, ist W6, und das ist Murks im Quadrat. Ihr Prinzip, Herr zu Guttenberg, ist, dass Prinzipien etwas für normale Leute sind. Sie selbst brauchen keine. Sie verkaufen es stattdessen als besondere politische Leistung, dass Sie sich immer wieder korrigieren müssen. Schauen wir auf die kritischen Situationen Ihrer 16 Monate als Verteidigungsminister – Kunduz, Wehrpflicht, Bundeswehrreform, „Gorch Fock“, die Promotionslüge –, dann sehen wir: Keine Ihrer Erklärungen hatte Bestand. Ihr Wort gilt nichts.

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Können Sie so Verteidigungsminister bleiben? Warum ist damals eigentlich Dr. Jung zurückgetreten?

(Thomas Oppermann [SPD]: Das fragen wir uns inzwischen auch!)

Warum haben Sie damals den Generalinspekteur entlassen und in der Presse zum Sündenbock für Ihre eigenen Fehler gemacht? Viele hier im Saal haben aus guter Erfahrung viel mehr Vertrauen in den alten General Schneiderhan als in Sie und Ihr Amtsverständnis, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die einfache Frage an Sie ist: Gilt für Sie ein besonderes Recht? Quod licet Iovi, non licet bovi? Gelten für Jupiter andere Maßstäbe als für Ihre Kollegen, das gemeine Rindvieh?

(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Das war ein Plagiat!)

Beantworten Sie diese Frage; es ist eine Frage der Ehre. Ziehen Sie die Konsequenz und ziehen Sie sie bitte selbst!

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

 

PDF-Dokumente:

BT-Plenarprotokoll 23.02.2011

BT-Plenarprotokoll 23.02.2011 – Auszug Rede Bartels