Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deutschen Bundestag am 25. April 2013 im Rahmen der Beratung zum SPD-Antrag "Für eine umfassende Debatte zum Thema Kampfdrohnen"

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Für die SPD-Fraktion gebe ich jetzt dem Kollegen Dr. Hans-Peter Bartels das Wort.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich stelle fest: Sie haben aufgrund massiven öffentlichen Drucks, auch von uns Sozialdemokraten, hier in der letzten Plenardebatte, entschieden, jetzt nicht über eine Beschaffung von Kampfdrohnen zu entscheiden. Sie stellen das zurück. Wir begrüßen das ausdrücklich.

Wir hatten Sie vor Schnellschüssen gewarnt. Ihr Koalitionspartner hat kluge Fragen gestellt, die es zu beantworten gilt. Selbst Ihre eigene Unionsfraktion hat nachvollziehbar keine Neigung, ein paar Wochen vor der Bundestagswahl eine umstrittene Eilentscheidung über die Beschaffung dieser oder jener ausländischen Waffe zu treffen. Es gibt überhaupt keinen Zeitdruck, eine Debatte über bewaffnungsfähige, unbemannte Luftfahrzeuge zu führen.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt keinen Zeitdruck, weil es keine Fähigkeitslücke gibt: nicht in der NATO, nicht in der EU und nicht in der Bundeswehr. Es gibt keinen Zeitdruck; lassen Sie sich das auch nicht von der Industrie einreden – nicht schon wieder über den Tisch ziehen lassen!

Wir haben Zeit für eine vernünftige Debatte, eine Debatte über ethische Fragen: Sind Kampfdrohnen ethisch neutral? Sind sie wirklich vergleichbar mit „Pfeil und Bogen“, wie der Minister gespottet hat? Wie blockiert man international den technischen Trend hin zu autonomen Systemen, bei denen kein Mensch mehr entscheidet?

(Markus Grübel [CDU/CSU]: Sag mal!)

Wie verhindern wir gegebenenfalls eine völkerrechtswidrige Praxis?

(Uta Zapf [SPD]: Genau!)

Und wie bekommen wir dieses Thema auf die Tagesordnung der Rüstungskontrolldiplomatie? Darüber müssen wir reden, bevor hier Beschaffungsvorlagen geschrieben werden.

(Beifall bei der SPD)

Das Motto „Dabei sein ist alles“ ist hier als olympische Weisheit nicht zu gebrauchen. Wir sind auch gespannt auf die Antworten der Regierung auf unsere Große Anfrage zu Kampfdrohnen, die seit einem halben Jahr im Verteidigungsministerium liegt.

Eine Frage will ich heute näher betrachten: Was können eigentlich bewaffnete Drohnen, was herkömmliche Waffensysteme nicht können? Keine Sorge, meine Antwort lautet nicht: „nichts“. Es gibt etwas, was moderne Kampfdrohnen wie Predator, Reaper und auchHeron TP besser können als andere Waffen:

(Henning Otte [CDU/CSU]: Er kennt sich aber aus!)

Mit diesen Apparaten kann man zielgenau einzelne Personen töten, ohne dafür eigenes Personal in die Nähe der Zielperson bringen zu müssen. Sie können das zu einem beliebigen Zeitpunkt an einem beliebigen Ort tun, in einem beliebigen Land, in einem scheinbar rechtsfreien Raum.

In einer gewissen Weise ähnelt diese Einsatzart des Waffensystems dem Einsatz von Sondereinsatzkommandos der Polizei oder militärischen Spezialkommandos bzw. den Geschichten, die man manchmal von Geheimdiensten hört, mit dem Unterschied, dass Polizisten, KSK-Soldaten oder Geheimagenten niemanden, den sie gefunden haben, gleich einfach töten dürfen. Sie versuchen vielmehr, den mutmaßlichen Übeltäter gefangen zu nehmen. Das kann man mit einer bewaffneten Drohne natürlich nicht. Man kann nur beobachten und gegebenenfalls zielgenau töten – in der US-TerminologieTargeted Killing genannt.

Aber auch in den USA gelten diese Missionen inzwischen als umstritten. Es darf nämlich nicht darum gehen, wie es auf den Kaffeebechern im Andenkenshop von Guantánamo steht, den Bösen Böses zu tun. Es geht darum, das Böse zu stoppen. Dafür dürfen wir die Prinzipien unserer freiheitlichen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht aufgeben, auch nicht teilweise. Wir leben nicht im permanenten Notstand.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Das ist doch nicht Ihre Rede!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen uns das Gesetz des Handelns nicht von Terroristen diktieren lassen. Das CIA-Kampfdrohnenszenario kommt für uns in Deutschland nicht infrage.

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)

Wenn das aber der wichtigste Anwendungsfall ist, für den bewaffnete Drohnen in der Realität heute überwiegend gebraucht werden, dann brauchen wir sie nicht – dafür nicht.

(Beifall der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD])

Da wir uns in der Ablehnung der gezielten Tötung mittels Kampfdrohnen hier im Hause vermutlich parteiübergreifend vollständig einig sind, bleibt die Frage, für welchen Anwendungsfall die Bundesregierung dann glaubt bewaffnete Drohnen anschaffen zu sollen. Minister de Maizière erwähnte die Möglichkeit des Schutzes von NATO-Patrouillen mit deutscher Beteiligung in Afghanistan.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Jetzt wird es sachlich!)

Eine Drohne kann den Konvoi lange begleiten, das Umfeld laufend aufklären und, wenn feindliche Kräfte aus dem Hinterhalt schießen, diese aus der Luft sofort wirksam bekämpfen.

Das hört sich erst einmal plausibel an. Die Amerikaner haben Dutzende von Kampfdrohnen in Afghanistan, auch im Norden, stationiert. NATO-Konvois sind permanent auf den gefährlichen Straßen dort unterwegs. Ich habe die Bundesregierung gefragt, wie oft es denn vorkommt, dass US-Drohnen eingreifen, wenn deutsche Kräfte beteiligt sind. Die Antwort, die ich bekam, lautet: In den zwölf Jahren der deutschen Präsenz in Afghanistan ist das genau zweimal vorgekommen.

Im Übrigen gelten für jedes Wirken aus der Luft im NATO-Rahmen die NATO-Einsatzregeln, die wir ja im Kunduz-Untersuchungsausschuss besonders intensiv kennengelernt haben. Das sind aus guten Gründen für Drohnen die gleichen restriktiven Regeln wie für Jagdbomber oder Kampfhubschrauber, die in Afghanistan zu dem gleichen Zweck – Aufklärung und Wirken aus der Luft – auch eingesetzt werden.

(Markus Grübel [CDU/CSU]: Genau!)

Ich will nicht für alle Zeit ausschließen, dass es sinnvolle Einsatzaufgaben für diese neuen Waffensysteme geben mag.

(Markus Grübel [CDU/CSU]: Jetzt kommen Sie zum Punkt, Herr Kollege!)

Die beiden eben von mir beschriebenen Anwendungsbereiche jedenfalls drängen uns nicht zu einer eiligen Beschaffung.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Davon spricht ja auch keiner!)

Völlig unbestritten ist dagegen, dass wir unbemannte Aufklärungssysteme dringend brauchen. Heron 1 in Afghanistan ist sehr nützlich. Eine Verlängerung des Mietvertrages werden wir unterstützen.

Eine echte Fähigkeitslücke ist bei der signalerfassenden Aufklärung, SIGINT, dringend zu schließen. Seit Jahren sind die Bréguet-Atlantique-Flugzeuge außer Dienst gestellt. Der „Euro-Hawk“ sollte mit etwas Zeitverzug die Lücke füllen. Jetzt hören wir von der Bundesregierung, dass er vielleicht niemals für die Luftwaffe fliegen wird. Das erste Exemplar steht seit zwei Jahren in Manching und bereitet Kummer.

Bis zum Ende dieses Haushaltsjahres wird uns das „Euro-Hawk“-Abenteuer 688 Millionen Euro gekostet haben. Es gibt keine Zulassung, keine Dokumentation, keine Zertifizierung und keinen Flugbetrieb. Außerdem stellt man in den USA möglicherweise die Produktion des zugrunde liegenden „Global Hawk“ ein.

Dieses Programm, Herr Minister, ist ein Desaster. Über eine halbe Milliarde Euro für nichts! Wieso hat bis heute niemand die Reißleine gezogen?

Herr Minister, ich sage Ihnen: Die Zukunft dieses Drohnenprojekts ist möglicherweise doch noch einmal ein bemanntes Flugzeug.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)

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BT-Plenarprotokoll

BT-Plenarprotokoll – Auszug Rede Bartels