Rede von Hans-Peter Bartels, MdB auf dem Kongreß am 14. September 1999 im Willy-Brandt-Haus in Berlin

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

ich freue mich, daß Sie hierher ins Willy-Brandt-Haus zur „Generation Berlin“ gekommen sind. Die Konkurrenz ist heute abend stark. Eingeladen haben auch die Pharmazeutische Industrie, der Tagesspiegel, die IG Metall, die Post, die Dresdner Bank und der Förderkreis Politische Rhetorik.

Alle wollen den Neuen in Berlin „Hallo“ sagen und Häppchen reichen. Wer also heute ein kaltes Buffet versäumt, sei auf morgen vertröstet; da habe ich mir die fröhliche AOK, den TÜV, die Aids-Hilfe und die Deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie notiert. Veranstalter heute abend sind die Youngsters der SPD-Bundestagsfraktion, sozusagen der parlamentarische Nachwuchs, die Unter-40-jährigen.

Unter 40 gilt man in der SPD noch als jung. Diese junge Gruppe ist mit der Bundestagswahl vor einem Jahr erstaunlich groß geworden:

36 Abgeordnete, fast alles neue, erfüllen das Alterskriterium. Damit sind wir beinah so groß, wie die kleinen Fraktionen FDP, Grüne und PDS. Aber, keine Angst, das ist nur ein Zahlenvergleich, nichts weiter. Die Situation, auf die wir hier, neu in der neuen Regierungsfraktion, treffen, hat ganz hellsichtig die Frankfurter Rundschau vor ein paar Tagen zusammengefaßt: „Erst jetzt, nach der Regierungsübernahme, wird in aller Schärfe klar, daß die vier Parteivorsitzenden, die die SPD in den neunziger Jahren zu verkraften hatte, zu personellem Stillstand und inhaltlicher Leere geführt haben. Nachdenken und Nachwuchs sind weder gefördert noch gefordert worden. An nichts ist gearbeitet worden, weder an Konzepten, noch an Konflikten.“ Soweit die FR mit der Beschreibung unseres Aufgabengebietes.

Deshalb führen wir in der SPD jetzt – eigentlich zu spät – eine nachholende Grundsatzprogrammdiskussion, in der zum Beispiel deutlich werden muß, daß sparen etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun hat: mit Verteilungsgerechtigkeit und Generationensolidarität. Für viele Sozialdemokraten ist das ein sensationell neuer Gedanke.

Ein Wort zu den verlorenen Wahlen dieses Sommers:

Die SPD hat große Wählermassen nicht an die CDU abgegeben, sondern in die Wahlenthaltung verloren. Das läßt die Hoffnung, daß eine klarere SPD-Linie diese Wahlberechtigten auch wieder als SPD-Wähler gewinnt.

Wirkliche Einbrüche hatten wir aber im Bereich der jungen und jüngsten Wähler, denen die SPD-Linie so oder so offenbar ziemlich wurscht ist. Da haben wir ein Generationenproblem – bei den Wählern wie auch innerhalb der eigenen Partei. Denn die Länder, die jetzt verloren wurden, werden nicht mehr von unseren ewigjungen Vorbildern der Enkel-Generation zurückgewonnen, sondern – wenn′s schnell geht – von Urenkeln, die jetzt noch kaum jemand kennt.

Dieser Abend ist nun die erste öffentliche Veranstaltung der Youngsters. Wir haben das Thema „Generation Berlin“ gewählt, weil wir glauben, daß dieses Label wohl mit uns etwas zu tun haben müßte – irgendwie. Was genau, sollen Vorträge und Diskussion klären helfen.

Dafür konnten wir eine Idealbesetzung gewinnen:

  • Heinz Bude, den Soziologen, der länger schon der Frage nachgeht, was sich eigentlich durch den Hauptstadtumzug verändert; er hat den Begriff „Generation Berlin“ geprägt, und
  • Franz Walter, den Historiker und Politologen, der mit kritischer Sympathie die Entwicklung unserer Partei, der SPD, seit Jahren analytisch begleitet.

Ich schlage vor, daß wir zunächst die Vorträge hören, danach die Statements der jungen Politiker und dann in eine breitere Diskussion übergehen.

Lassen Sie mich schließen mit einem Kanzlerwort. Gerhard Schröder schrieb vor zwei Wochen im Stern: „Für die Generation der 20- bis 30-jährigen ist die ‚Berliner Republik‘ ganz selbstverständlich ein an- und aufregendes Projekt. (…). Nicht zu unrecht hat der Soziologe Heinz Bude von der ‚Generation Berlin‘ gesprochen.“

Herr Bude, sprechen Sie zu uns. Auf Ihren Worten ruht allerhöchster Segen.