Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deustchen Bundestag am 14. Juni 2012 zum Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels hat das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein Wort zu der ungewöhnlichen Uhrzeit. Ich glaube, das ist der späteste Beginn einer Mandatsdebatte im Bundestag, den wir jemals hatten. Ich hoffe, das wird ein Ausnahmefall bleiben. Diese Debatte gehört in das Zentrum des Parlaments.

(Beifall im ganzen Hause)

Was wir heute hier praktizieren, ist die klassische Parlamentsbeteiligung, die uns das Bundesverfassungsgericht aufgegeben hat und die wir mit einem Gesetz geregelt haben, an dem wir festhalten wollen. Es gibt Diskussionen darüber, was das für die weitere europäische Vertiefung zu bedeuten hat.

Ich glaube, man darf nicht am Parlamentsvorbehalt rühren, vielleicht aber an der Frage, wann sich das Parlament mit europäischen oder NATO-Fragen befassen sollte. Denn immer dann, wenn Deutschland einer Mission zustimmt – sei es eine EU-Mission oder eine NATO-Mission; es ist egal, ob wir uns daran substanziell beteiligen oder nicht –, findet mit deutscher Legitimation ein internationaler Militäreinsatz statt. Dann ist es immer ein Fall für das Parlament.

Da brauchen wir keine Angst zu haben, dass dann vielleicht auch über den Einsatz von Soldaten gesprochen werden könnte, die von uns aus nötig sind, damit dieses Mandat überhaupt erfolgreich sein kann. Wer diese Diskussion im Grundsatz führen will, führt eine Scheindebatte. Wir interessieren uns für alles, was die EU und was die NATO in militärpolitischer Hinsicht international unternimmt. Auch wir wollen im Regelfall dabei sein – und nicht nur die Bundesregierung, wenn sie einer Mission zustimmt.

Hier reden wir über eine UNO-Mission, und zwar über eine ganz besondere. Dass im Libanon schon über Jahrzehnte eine UN-Mission an Land existiert, hat die deutsche Öffentlichkeit erst zur Kenntnis genommen, als sich die Frage stellte, ob auch wir uns an der seeseitigen Mission beteiligen wollen. Bis dahin war das nicht auf dem Radarschirm unserer Öffentlichkeit. Dabei war das keine einfache Mission. Es hat Tote unter unseren Verbündeten gegeben, die unter dem Dach der UN den Frieden im Libanon und den Frieden zwischen Libanon und Israel sichern helfen wollten.

Wir interessieren uns dann, wenn es Deutsche betrifft. Hier war nun die erste UN-Mission zur See auf den Weg zu bringen. Wir können stolz darauf sein, dass dies mit substanzieller deutscher Unterstützung gelang. Der erste Offizier, der diesen UN-Verband zur See, die erste maritime UN-Mission, führte, war ein Deutscher. Wir haben operative Grundlagen mitgeprägt für das, was die UN selbst künftig vielleicht auch an anderer Stelle auf See leisten kann, ohne Rückgriff auf andere Bündnisse zu nehmen. Dies ist ein UN-geführter und nicht nur ein UN-mandatierter Einsatz. Ich bin froh, dass Deutschland dabei eine führende Rolle eingenommen hat.

Der Minister hat es angesprochen: Wir tun das nicht, weil wir uns vordrängen, sondern weil Libanesen und Israelis übereinstimmend der Meinung waren, dass Deutschland dabei sein sollte. Das ist ein Zeichen des großen Vertrauens, das unser Land sowohl in dieser Region als auch anderswo genießt. Diesen Wünschen sollte man dann auch nachkommen. Wir können manches tun, was andere nicht tun, weil uns heute eine gute Rolle zugetraut wird, auch in diesem Konflikt.

Es wird gelegentlich die Frage gestellt: Was hat das denn gebracht? Wie viele Waffenschmuggler sind denn gefasst worden? Wie viele Waffen sind eingesammelt worden? Kann man das wirklich genau überprüfen? Die FDP hat sich, als dieses Mandat das erste Mal beschlossen wurde, ganz anders ausgelassen – das will ich jetzt gar nicht zitieren – als heute in der Regierungsverantwortung. Damals war sie dagegen, weil sie skeptisch war, ob man diese Überprüfung tatsächlich erfolgreich vollziehen kann.

Der Auftrag der UNIFIL-Mission war ein ganz anderer: Nicht das Einsammeln von Waffen war das Ziel, sondern das Bilden von Vertrauen, das Herstellen einer Situation, in der nicht mehr die israelische Marine den Libanon von der See her blockiert, sondern in der diese Blockade aufgehoben werden konnte und durch eine internationale Mission abgelöst wurde. Das war Vertrauensbildung in beide Richtungen. Das hat funktioniert. In dieser Weise ist der militärische Beitrag erfolgreich gewesen.

Ich möchte sagen: Dieser Antrag ist gut formuliert. Dieser Antrag enthält mehr als nur die Frage: Mit welchen militärischen Beiträgen und mit welchem Finanzaufwand beteiligen wir uns? Vielmehr ist die Frage: Was tun wir sonst noch in dieser Region? Einige Dinge sind noch nicht erledigt. Sie werden noch länger dauern müssen als der UNIFIL-Einsatz, der vielleicht in absehbarer Zeit enden kann.

Was nicht enden kann, ist unser Engagement – das kann auch ruhig bilateral sein –, ein deutsches Engagement zum Aufbau der sehr kleinen libanesischen Marine. Wer einmal dort war, wird wissen, dass sie eigentlich nicht als Marine gestartet ist, sondern als Schlauchbootabteilung des libanesischen Heeres. Das wird jetzt mit unserer Unterstützung eine Marine. Wir sollten sie so lange unterstützen, bis sie sich selbst trägt. Das kann noch eine ganze Weile dauern, aber es ist kein großer Aufwand. Für uns als großes Land ist es kein großer Aufwand, mit Material und den Ausbildungseinrichtungen, die Deutschland zur Verfügung stellt, Unterstützung zu leisten.

Gestatten Sie mir eine kurze Bemerkung zu der Diskussion, die wir vorhin geführt haben: Das ist in der Bundeswehrreform übrigens auch dienstpostenrelevant. Ich finde, dass das, was die Bundeswehr hervorragend macht – nicht nur im Libanon, sondern auch an anderer Stelle –, nämlich Nationen durch Ausbildungsunterstützung in die Lage zu versetzen, für ihre eigene Verteidigung zu sorgen, ein Beitrag von uns zur Sicherheit in der Welt ist. Dies sollte sich auch hinsichtlich der Dienstposten in den Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr niederschlagen und nicht immer nur zusätzlich sein. Es geht dabei nicht um große Summen.

Wir sehen, dass es hier und da Probleme gibt. Deshalb muss man ein bisschen nachsteuern und sagen: Das gehört zu der Sicherheitspolitik, die wir wollen und die wir uns in der Welt, in der wir eine positive Rolle spielen wollen, wünschen.

Das Mandat bleibt richtig. Es ist vernünftig formuliert, und es ist gut, dass es uns jetzt zur Abstimmung vorgelegt wird. Es bleibt so lange notwendig, bis die Bedingungen, die das Mandat formuliert, eingetreten sind, nämlich dass der Libanon selbsttragend für die Sicherheit seiner Seegrenzen sorgen kann. Ich glaube nicht, dass wir uns mit dem Druck auf die UN, frühzeitig abzuziehen, beeilen müssen. Denn gerade in der unsicheren Situation im Nahen Osten wird vielleicht ein Stabilitätsanker gebraucht. Ein kleiner Teil des Stabilitätsankers im Nahen Osten kann die UNIFIL-Mission zur See sein, an der wir uns beteiligen wollen. Wir werden zustimmen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÃœNDNISSES 90/DIE GRÃœNEN)