Gastbeitrag von Hans-Peter Bartels für das Handelsblatt vom 2. August 2012

In den asymmetrischen Konflikten des 9/11-Jahrzehnts hat sich bei den höchstentwickelten Militärmächten die Art des staatlichen Gewaltmonopols nach außen deutlich gewandelt. Wesentliche Beiträge zur Operationsführung im Antiterrorkampf werden nicht von klassischen militärischen Formationen geleistet, sondern von gesonderten Einrichtungen – außerhalb der traditionellen Streitkräftestruktur. Diesen Sonderkapazitäten gemeinsam ist, dass sie diskreter als das „normale“ Militär wirksam werden. Sie wirken hinter einem Schleier der Nicht-Eigentlichkeit.

Wenn bewaffnete Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen an die Stelle von militärischer Bewachung in Einsatz treten, kann niemand behaupten, dass staatliche Gewalt angewendet wurde, wenn sie schießen mussten. Es waren ja keine Soldaten.

Wenn unbemannte Drohnen ein Taliban-Gehöft in Pakistan unter Feuer nehmen, waren dazu keine Soldaten auf fremdem Boden oder in fremdem Luftraum nötig. Vielleicht waren es nicht einmal Militärdrohnen, die da töteten, sondern ein CIA-Automat oder die Explosion des Warmwasserboilers, wer weiß?

Wenn ein kleines Spezialkommando in der Nacht aus der Luft ein Terroristenversteck angreift, – wenige Vermummte, die so schnell wieder verschwunden sind, wie sie plötzlich da waren -, dann wissen nur die Betroffenen, falls sie es überlebt haben, dass sie Besuch von Soldaten hatten. Dem Rest der Welt bleiben diese Kommandoaktionen ein Geheimnis.

Solcherart verdeckte Vorgehensweise entspricht der öffentlichen Erwartung, dass nach Beendigung eines Feldzuges wie etwa in Afghanistan oder im Irak keine Feindseligkeiten mehr stattfinden. Der eigentliche Krieg ist vorüber.

Firmen, Drohnen, Spezialkräfte: Dieses Outsourcing des Militärischen wird von keinem Land so massiv betrieben wie von den USA. Doch auch Deutschland folgt dem Trend. Gegenüber der Öffentlichkeit verspricht das Nichtmerken, Nichtsehen und Nichtwissen Vorteile, denn Demokraten fällt es naturgemäß schwer, physische Gewalt im Außenverhältnis einzusetzen. Aber dieses Problem dürfen wir nicht durch militärisches und moralisches Outsourcing lösen. Wir müssen merken, sehen und wissen, was wir im Auslandseinsatz legitimieren.

Deshalb bedarf der Sicherheitsdienstleistungsmarkt, ob an Land oder neuerdings auch bei der Piraterieabwehr auf See, dringend der Regulierung. Darüber besteht politisch jedenfalls in Deutschland weitgehende Einigkeit: Registrierung, Lizensierung, Schadenshaftung und Zugänglichkeit für die Strafverfolgung lauten die Stichworte.

Thema Drohnen: Gezielte Tötungen in einem souveränen Land schaffen – siehe Guantanamo – eine neue Realität, aber kein neues Recht. Sie untergraben vielmehr die Herrschaft des Rechts und fallen zurück auf das archaische Recht des Stärkeren. Für Deutschland kommen solche Einsätze nicht infrage. Und bei der gerade jetzt diskutierten Erweiterung des technischen Arsenals von unbemannten Aufklärungsfliegern hin zu bewaffneten Flugrobotern sollten sehr sorgfältig die verführerischen Aspekte der normativen Kraft des Faktischen abgewogen werden.

Schließlich: Dem US-„Special Operation Forces Command“ unterstehen heute 58 000 Soldaten und Zivilbeschäftigte. Es ist damit so groß wie alle Kampfverbände des deutschen Heeres zusammen. Im Afghanistan-Szenario hat sich der Operationsschwerpunkt der Amerikaner spätestens seit 2009 sukzessive in Richtung Spezialkräfteeinsatz verschoben. Die Task-Forces verfolgen, fangen und töten gegebenenfalls Schlüsselpersonal aufseiten der Insurgenten. Elektronische Aufklärung, Satelliten- und Drohnenbilder sowie nachrichtendienstliche Informationen werden hier verbunden mit blitzschnellen nächtlichen Zugriffen, die den Verfolgungsdruck auf die Talibanführer und andere Militante erhöhen und so deren Verhandlungsbereitschaft fördern sollen. Das ist keine völlig unplausible Strategie. Sie könnte aufgehen – oder aber ins Gegenteil umschlagen, wenn immer jüngere, immer fanatischere Terrorfunktionäre nachrücken.

Für die deutschen Spezialkräfte gilt, dass sie sich nur an Festnahmen gegenüber Personen, die auf der ISAF-Zielliste stehen, beteiligen, nicht an sogenannten Capture-or-kill-Operationen. Aber was genau unsere KSK-Kämpfer am Hindukusch tun, bleibt Geheimsache. Nur die Obleute der Bundestagsfraktionen werden gelegentlich in geheimer Sitzung über abgeschlossene Vorgänge unterrichtet.

So wird die Parlamentsarmee Bundeswehr zur Zwei-Klassen-Armee: hier die Patrouillenfahrer, dort die Supersoldaten, die beim Taliban zu Hause loslegen: Die einen mit jedem Verletzten im Fernsehen, die anderen mit mutmaßlichen Erfolgen im Ungefähren. Die einen parlamentarisch kontrolliert, die anderen – Fehlanzeige. Hier muss die Transparenz, jedenfalls im Nachhinein größer werden. Operative Gründe für Geheimschutzfetischismus gibt es da nicht mehr.