Führt Deutschland Krieg? Steht die Bundeswehr im heißen Kampfeinsatz? Müssen wir uns an tote deutsche Soldaten und getötete Zivilisten gewöhnen? Nein, dreimal nein! Es ist eine bösartige, mindestens aber extrem unkluge Semantikdebatte, die da einige Journalisten, FDP-Verteidigungsexperten und Verbandsfunktionäre der Bundeswehr losgetreten haben.
Solch verbale Aufrüstung erklärt nichts und nützt niemandem, außer dass man damit in die Zeitung kommt. Das Posieren mit der schlimmen Wahrheit gehörte bisher zum Arsenal der Anti-Kriegs-Partei Die Linke.
Weder Deutschland noch die Nato befindet sich im Kriegszustand. Afghanistan ist seit 2002 ein souveräner, allerdings am Rande des Bürgerkriegs befindlicher Staat. Im Einverständnis mit der afghanischen Regierung und durch Uno-Mandat legitimiert stellt die Nato eine Schutztruppe, die International Security Assistance Force (Isaf). Die hält nicht das Land besetzt, sondern soll helfen, ein sicheres Umfeld für den Wiederaufbau zu garantieren. Afghanistan ist ein gefährliches Land. Wäre es nicht gefährlich, brauchte der Wiederaufbau nicht den Schutz von Soldaten.
Seit 2001 gibt es immer wieder Kämpfe und Tote, 27 Bundeswehrsoldaten wurden durch Anschläge und Unfälle getötet. Deutschland führt aber keinen Krieg. Warlords und Taliban sollen festgenommen und, so unzulänglich diese noch sind, afghanischen Gerichten übergeben werden. Es gibt immer mehr gemeinsame Patrouillen mit der afghanischen Armee. Die Verhältnismäßigkeit der Mittel bleibt oberstes Einsatzgebot.
Wie effektiv das Engagement der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan ist, darüber lässt sich diskutieren. Auch US-Militärs sind heute der Ansicht, dass ein föderaler Ansatz besser gewesen wäre als der zentralistische Staatsaufbau, der bei der Petersberg-Konferenz 2001 vereinbart wurde. In Deutschland hält sich auch das Verständnis für das Festhalten der US-Regierung an der Doppelstrategie mit zwei getrennten Militärmissionen – Isaf (Nato) und OEF (der amerikanisch geführten Antiterroroperation Enduring Freedom) – in Grenzen.
Die OEF sichert dem US-Militär nach wie vor volle Handlungsfreiheit in Afghanistan. Das ist nicht nur völkerrechtlich problematisch, sondern auch strategisch kontraproduktiv: Zwei unterschiedliche Strategien im gleichen Land sind schlechter als eine einheitliche.
Deshalb gibt es in der SPD den verbreiteten Wunsch, die deutsche Beteiligung an der OEF in Afghanistan aufzugeben. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat sich dieser Position angeschlossen. Die 100 im Rahmen der OEF einsetzbaren KSK-Soldaten waren schon seit drei Jahren nicht mehr aktiv.
Arbeit am Detail
Es dürfte das transatlantische Verhältnis nicht schwer belasten, wenn Deutschland hier nach der Wahl des neuen US-Präsidenten das Mandat bereinigt. Besser noch wäre es, die Amerikaner von einem Strategiewechsel zu überzeugen: ein Land, ein Mandat, ein Bündnis, eine Mission, eine Strategie! Die OEF kann nichts, was die Isaf nicht auch könnte – es sei denn, es gäbe unter OEF-Verantwortung Aktivitäten, von denen man gar nichts weiß (was ein Grund mehr wäre auszusteigen).
Der Bundestag wird auf Antrag der Bundesregierung das Isaf-Mandat um 14 Monate verlängern und die Personalobergrenze auf 4500 anheben, um die zivil-militärischen Wiederaufbauteams zu stärken und mehr für die Ausbildung von Armee und Polizei tun zu können. Eine Beteiligung an den Awacs-Flügen ist denkbar.
Die deutsche Öffentlichkeit braucht Geduld, kein Kriegsgeschrei, damit sich die Lage in Afghanistan bessern kann. Auf dem Balkan haben wir diesen langen Atem durchgehalten. Statt möglichen 8500 Soldaten werden heute im Kosovo nur noch 2200 Deutsche gebraucht. Die Lage ist ruhig, Serbien strebt inzwischen in die EU. In Bosnien-Herzegowina tun gegenwärtig noch 118 deutsche Soldaten Dienst, Abzugsperspektive: nächstes Jahr. Aufatmen. Und auf Afghanistan konzentrieren!