Der Dschihadismus steht in der grauenhaften Tradition Stalins und Pol Pots, meint Hans-Peter Bartels.
Wir sollten aufhören, von Religion zu reden. Die Durchsetzung einer Ideologie mittels terroristischer Gewaltanwendung ist das „eigentliche Wesen totalitärer Herrschaft“ (Hannah Arendt), gleich um was für eine Art organisierter Heilslehre es sich handelt. Der Herrschaftsanspruch ist absolut: Er duldet keine Konkurrenz oder Abwägung. Der Herrschaftsbereich: unbegrenzt; jeder Aspekt des Lebens muss der Ideologie, ihrer Organisation und deren Führer Untertan sein, immer und überall. Gegner müssen sterben, Verräter sind zu erschießen, Abweichler zu liquidieren.
Diese Strukturmerkmale sind wieder da: im Dschihadismus, der von Mali über Libyen, Somalia, Jemen, Syrien, den Irak, Afghanistan bis Pakistan zum Angriff auf etablierte Despoten wie Demokratien angetreten ist. Es handelt sich um eine fanatische Massenbewegung, aber sie ist nicht einheitlich, noch nicht. Der IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi könnte, wenn etwa sein schauriger Siegeszug ins Stocken gerät, wie Pol Pot von „gemäßigteren“ Dschihadisten überwältigt werden – oder wie Stalin über die Lauen und Renegaten im eigenen Reich wie in der Internationalen triumphieren. Und hat eigentlich al-Quaida die „Nacht der langen Messer“ schon hinter sich?
Vergleiche sind nicht verboten, aber sie ersetzen nicht die Analyse dieser dritten totalitären Bedrohung der Welt innerhalb von hundert Jahren. Der Dschihadismus ist nicht deshalb weniger bedeutsam oder gefährlich, weil er nicht von Europa ausgeht. Es geht hier auch nicht um isolierte Terroranschläge, wie wir sie in Westdeutschland von der RAF kannten, nicht um etwas begrifflich so Unspezifisches wie „internationalen Terrorismus“ oder die Politik des „Islamismus“. Es geht um den totalen Herrschaftsanspruch einer neuen Gewaltideologie. Dem ist durch Appelle an freundlichere Muslime, sie mögen sich eifriger von den SS-artig schwarz uniformierten Mördergruppen distanzieren, kaum beizukommen. Die islamischen Gesellschaften selbst, und zwar das liberale wie das religiöse Lager, leiden doch am heftigsten unter der neuen ubiquitären Terrordrohung. Der Westen und die zivilisierte Welt werden dieser totalitären Weltbewegung, die längst Brückenköpfe in Amerika und Europa gebildet hat, entschlossen und geschlossen entgegentreten müssen. Russland und China sollten dabei sein.
Jedes vom Dschihadismus terrorisierte Land ist anders, aber wir sollten stärker die Gemeinsamkeiten sehen. Von Mali bis Pakistan ist es das gleiche Ölgeld aus den gleichen vornehmen Geldquellen auf der arabischen Halbinsel, das die Indoktrinationscamps, die Waffen und den Nachschub finanziert, jedenfalls die Grundausstattung. Dort muss unsere Politik des „Containments“, der Eindämmung, beginnen.
Wir dürfen nicht die Botschaft von Freiheit und Wohlstand, die unsere Gesellschaften kennzeichnen, verdunkeln durch Methoden der Gegenwehr, die denen des Gegners unheimlich ähneln: keine Geheimgefängnisse, kein Verschwinden-Lassen von Verdächtigen, kein „targeted killing“, keine Folter. So hat der Westen die ersten beiden Totalitarismen bekämpft, überlebt und am Ende überwunden.