Beitrag von Hans-Peter Bartels für den Informationsbrief "Bundestags-direkt" der SPD-Landesgruppe Schleswig-Holstein (Ausgabe 1/2012)

Ein neuer politischer Stil, neue Themen – viele freuen sich auf den neuen Bundespräsidenten. Ich auch. Er hat ein Lebensthema, das uns gut tun wird: Freiheit und Demokratie. Darüber wird Joachim Gauck, der ostdeutsche Pfarrer und Revolutionär, wahrscheinlich nachdrücklicher sprechen als jeder seiner Vorgänger.

Allzu lange ist überall, in den Medien wie in unseren Ortsvereinsversammlungen, über grassierende Politikverdrossenheit, über das angemaßte Primat der Ökonomie und über die landläufige Demokratieverachtung immer wieder geklagt worden. Nur als politisches Reformfeld war „Demokratie“ irgendwie kein attraktives Thema.

Natürlich, es ist wahr, der zweite deutsche Demokratieversuch, die Bundesrepublik Deutschland, ist ungewöhnlich erfolgreich. Nach 1914/18, nach 1933-45 und 1989/90 ist es unglaublich, wo wir heute stehen. Es ist „unglaublich“ – das sagte Helmut Schmidt in seiner großen Rede auf dem SPD-Parteitag Anfang Dezember 2011.

Dennoch: Wir müssen über Verbesserungen der Bildung zur Demokratie hin reden. Und dabei können viele sich angesprochen fühlen:

  • die Schulen und die Schulpolitik und eigentlich schon die Kindergärten,
  • auch die Medien, Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen und, so schwierig das ist, auch diejenigen, die sich im Internet für irgendetwas verantwortlich fühlen,
  • natürlich die klassische politische Bildung, aber auch etwa die Jugendverbände, von Gewerkschafts- bis Sportjugend, die früher (staatlich finanziert) in den Ländern eigene Jugendbildungsreferenten hatten (längst eingesparter Luxus …),
  • und der politische Betrieb selbst muss sich angesprochen fühlen, die Gewählten in Parlamenten und Regierungen, die Abgeordneten, Bürgermeister, Parteifunktionäre und Generalsekretäre, die das öffentliche Bild der gelebten Demokratie unseres Landes prägen.

Wie reden wir selbst über Politik? Und welches Gerede nehmen wir hin? Welche Verhaltensweisen transportieren demokratischen Geist und welche appellieren an obrigkeitlichen Gefolgschaftsglauben?

Wenn wir politisch Engagierten von anderen erwarten, dass sie mehr tun und dass sie es vielleicht sogar besser tun, dann sollten wir mit uns selbst anfangen:

  • mit unseren Sprachmustern, die zum Beispiel allzu oft darauf hinauslaufen, dass Streit etwas Schlechtes sei und Kompromisse immer faul und als gäbe es ein objektiv zu ermittelndes Gemeinwohl, das zu erkennen der politische Gegner nur immer zu dumm oder verblendet sei. Das sind die falschen Bilder!
  • Wir sollten öfter, wie Gesine Schwan gesagt hat, wenn wir öffentlich sprechen, die Bedingungen unseres politischen Handelns mit thematisieren. Sie sind vielen, die uns zuhören, nicht immer klar.
  • Und wir können Regeln verändern, um Missstände zu beseitigen und um Missverständnissen vorzubeugen, etwa bei Nebentätigkeiten von Abgeordneten oder Spenden an Parteien.

Das sind nur einige Beispiele. Es geht immer auch um neue Formen der „Bürgerbeteiligung“ und um plebiszitäre Elemente im bewährten repräsentativen System, aber gewiss nicht um die Neuerfindung der Demokratie, sondern um die Verbesserung unserer demokratischen Praxis auf allen Ebenen, von allen Seiten. Jede Bürgerin, jeder Bürger kann dazu beitragen. Der Bürger Gauck wird wohl daran erinnern.