Beitrag in der Novemberausgabe (11/ 2004) des "vorwärts"

Acht Millionen junge Männer haben in den vergangenen fünf Jahrzehnten in der Bundeswehr gedient. Im Jahr 2003 haben 120 000 Rekruten – W9er, FWDLer, Zeit- und Berufssoldaten – ihren Dienst angetreten und etwa genau so viele sind ausgeschieden. Dieser ständige Austausch ist eines der wichtigsten Bindemittel zwischen Bundeswehr und Gesellschaft.

Die Wehrpflicht ist unersetzlich, wenn wir nicht wollen, dass die Bundeswehr zu einem beliebigen Dienstleister in Sachen Sicherheit wird. Gerade weil unsere Soldaten in Einsätzen weit außerhalb unserer Grenzen stehen, ist es wichtig, dass das Militärische dem Zivilen nicht fremd wird.

Von den Gegnern der Wehrpflicht ist vielfach zu hören, dass ihre sicherheitspolitische Legitimation mit dem Ende der Blockkonfrontation entfallen sei. Das ist grundfalsch. Nach Artikel 87a (1) des Grundgesetzes stellt der Bund Streitkräfte auf. Sie dienen der Verteidigung und (87a, 2) solchen Zwecken, die das Grundgesetz zulässt. Diese sind vor allem in Artikel 24 beschrieben: „Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen“. Ein solches Bündnis muss dazu dienen, „eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbei[zu]führen und [zu] sichern.“ Wir sind Mitglied solcher Bündnisse: UNO, NATO und EU. Wir stellen ihnen Streitkräfte zur Verfügung. Um diese optimal aufzustellen, haben wir nach Artikel 12a das Instrument der allgemeinen Wehrpflicht.

Es ist auch legitim, darauf hinzuweisen, welche Bedeutung die Wehrpflicht für die Nachwuchsgewinnung hat. Das Argument, die neue Bundeswehr brauche „Profis“, deshalb seien die Amateure von der Wehrpflichtarmee eine Belastung, ist Unsinn. Gerade die Wehrpflicht hilft der Bundeswehr, qualifizierte und engagierte Soldaten zu gewinnen – also wirklich eine Tauglichkeitsauswahl zu treffen.

Durch diese Wehrform finden Angehörige aller sozialen Schichten, mit ganz unterschiedlichen beruflichen Hintergründen und Ambitionen, den Weg zur Truppe, viele für länger.

Die Erfahrungen der NATO-Staaten, die den Pflichtdienst abgeschafft haben, ermutigen wenig: die Qualität sinkt, die Kosten steigen – für Nachwuchswerbung und Personalbindung. In Zeiten, da die politische Mode zu gebieten scheint, dass alles liberalisiert, dereguliert und entstaatlicht wird, damit der Markt dem Einzelnen noch mehr Freiheit bringe, plädiere ich für unsere „traditionellen“ Werte: verbindliche Solidarität, Pflicht.