Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deutschen Bundestag am 02. September 2013 im Rahmen der Beschlussempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses als 2. Unterausschuss

Vizepräsident Eduard Oswald:

Vielen Dank, Kollege Thomas Silberhorn. – Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kollege Dr. Hans-Peter Bartels. Bitte schön, Kollege Dr. Bartels.

(Beifall bei der SPD – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Wer ist denn bei euch die Nummer eins und wer die Nummer zwei, Herr Bartels?)

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war, ehrlich gesagt, skeptisch, ob wir so spät in der Wahlperiode, nach Ende aller regulären Sitzungen, noch einen Untersuchungsausschuss anfangen sollten, aber es hat funktioniert. Dafür danke ich den Kolleginnen und Kollegen, auch der Koalitionsfraktionen, die ja selbst kritische Fragen hatten, jedenfalls wenn es nicht um den gegenwärtigen Minister ging.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÃœNDNISSES 90/DIE GRÃœNEN)

Drei Ergebnisse will ich hier festhalten, weil sie für Parlament und Öffentlichkeit zentral sind:

Erstens. Was das Projekt Euro Hawk angeht, stelle ich fest: Ein totes Pferd wurde viel zu lange geritten. Sie sagen: Scharping ist schuld!

 (Markus Grübel [CDU/CSU]: Verantwortlich!)

 Aber es ist doch so: Als das Pferd gesattelt wurde, waren CDU, CSU und FDP so was von dabei. Sie haben dem Entwicklungsvertrag doch zugestimmt. Was kritisieren Sie denn da?

 (Markus Grübel [CDU/CSU]: Aber Sie doch auch! – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Für ein totes Pferd kommt jedes Horn zu spät!)

Das tote Pferd hat Zeit gekostet; Zeit, in der man Alternativen hätte entwickeln können und müssen, und das hat Geld gekostet; Geld, mit dem man die Entwicklung von Alternativen hätte vorantreiben müssen.

 (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ein Holsteiner kennt sich auch mit Pferden aus!)

Drei Jahre nach dem letzten Flug einer Breguet Atlantic SIGINT besteht die Fähigkeitslücke, die die SIGINT hinterlassen hat, fort und wird nun noch Jahre fortbestehen. Das ist bitter für die Bundeswehr und bitter für unsere Rolle im Bündnis. Durch diese Aufklärungslücke sind zum Beispiel unsere ECR-Tornados jetzt schon nahezu blind. Sie könnten ihre Hauptaufgabe nicht mehr uneingeschränkt erfüllen.

Zweitens. Der Ausschuss hat gezeigt, dass es im Beschaffungswesen der Bundeswehr gravierendes Missmanagement und auf der politischen Leitungsebene Führungsversagen gab. Es ist nicht gut, wenn der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt den Eindruck erweckt, nicht er steuere den Apparat, sondern der Apparat steuere ihn.

 (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie, Herr Minister de Maizière, haben in Ihrer bemerkenswerten Reformrede am 16. Mai 2011 gesagt – ich zitiere –: Die Bundeswehr ist gegenwärtig nicht zu führen, auch nicht von mir.

 (Lachen des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

 Das mag damals richtig gewesen sein. Aber erschreckend ist, dass es heute immer noch stimmt.

 (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Kommen Sie doch zu den Fakten! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Kein Beifall!)

 Die Bundeswehr wird von Ihnen nicht geführt, und ein noch viel größeres Problemfeld als Ihr Drohnendesaster ist dabei die Umsetzung der Bundeswehrreform.

 (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

 Nie war die Stimmung unter Soldaten und Zivilbeschäftigten so schlecht wie heute. Sie haben kein Reformmanagement. Sie lassen Frust und Verunsicherung und Organisationschaos zu und merken nicht einmal, dass da etwas gewaltig schiefläuft. Ihr Spruch „Der Sack ist zu“ ist von oben herab geredet und die falsche Antwort auf die Sorgen Ihrer Untergebenen.

Drittens hat der Ausschuss ergeben, dass Sie nach Ihrer selbst auferlegten dreiwöchigen Schweigephase mit Ihren Aussagen vom 5. Juni 2013 missverstanden worden sind; so sagen Sie selbst. Inzwischen ist belegt, dass Sie, früher als Sie behauptet haben, mehrfach schriftlich über die Euro-Hawk-Probleme unterrichtet wurden. Es ist wahr: Sie können nicht alles lesen. Aber Sie könnten mit Ihren Mitarbeitern sprechen, fragen, sich interessieren. Sie haben allein in diesem Jahr im Bundestag dreimal zum Thema Drohnen, Kampfdrohnen, gesprochen.

 (Zuruf des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU])

 Warum machen Sie sich vorher nicht schlau? Mit dem Wissen Ihres Apparats hätte klar sein müssen: Das Thema steht überhaupt nicht an, keine Realisierungschance.

Was ist nun zu tun? Klar ist: Wir brauchen eine fliegende Lösung als Ersatz für die SIGINT-Version, und zwar möglichst schnell.

 (Markus Grübel [CDU/CSU]: Richtig!)

 Es kann gern wieder ein bemanntes Aufklärungsflugzeug sein. Dabei müssen wir allerdings aufpassen, Herr Minister, dass wir uns nicht von den Vertretern ganz bestimmter Industrieinteressen über den Tisch ziehen lassen.

 (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Markus Grübel [CDU/CSU]: Auch richtig!)

 Wer in Zukunft die Bundeswehr führt, ist drei Wochen vor der Wahl keine Frage der Kabinettsumbildung mehr, sondern eine Frage der nächsten Bundesregierung.

 (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

 Weiter: Das Beschaffungswesen der Bundeswehr braucht ganz andere Weichenstellungen als die, die in Ihrer Reform vorgesehen sind. Die größte Einzelbehörde der Bundesrepublik Deutschland noch größer zu machen, kann nicht die Lösung sein. Nicht eine Superbehörde noch zentralistischer aufstellen, sondern den Sachverstand und die Verantwortung in den technischen Dienststellen stärken, das ist das Gebot der Stunde. Und man sollte noch einmal nachschauen, was die Weise-Kommission vorgeschlagen hat.

Übrigens: Nicht alles an der laufenden Reform ist schlecht. Die neue Planungsabteilung war wahrscheinlich eine gute Idee. Planung ist das Zauberwort; denn was wir so schnell nicht wieder erleben wollen, ist noch ein völlig aus dem Plan laufendes Rüstungsprojekt. Dafür war dieser Ausschuss allemal alle Mühe wert.

 

Vielen Dank.

 (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 Vizepräsident Eduard Oswald:

Vielen Dank, Kollege Dr. Hans-Peter Bartels. –

Plenarprotokoll