Lieber Hellmut Königshaus,
Frau Ministerin,
Soldatinnen und Soldaten,
meine Damen und Herren,
ich freue mich, heute hier zu Ihnen sprechen zu dürfen als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses.
Die Institution Verteidigungsausschuss und die Institution Wehrbeauftragter sind Garanten eines in unserer deutschen Geschichte wirklich erfolgreichen Prinzips: des Prinzips „Parlamentsarmee“.
Beide Institutionen, Ausschuss und Beauftragter, gründen jeweils auf einem eigenen Grundgesetzartikel: 45a und 45b. Das heißt, es muss sie geben!
Ihre Rechte haben Verfassungsrang. Wie auch die Rechte des ganzen Deutschen Bundestages auf die Letztentscheidung über die Entsendung deutscher Streitkräfte. Eine bessere Legitimation und Einbeziehung der demokratischen Öffentlichkeit gibt es nicht.
Der sogenannte „Parlamentsvorbehalt“ unserer Verfassung ist übrigens kein deutscher „Sonderweg“ oder ein Auslaufmodell.
Parlamente anderer Nationen folgen zunehmend dem deutschen Prinzip.
Sie haben erkannt: „Parlamentsarmee“ bedeutet Stärke, nicht Schwäche.
Das wird auch gelten auf dem langen Weg zur europäischen Armee.
Es wird jetzt viel – kontrovers – das Für und Wider diskutiert. Ich freue mich darüber.
Klar bleibt für alle europäische Politik: keine Entscheidung ohne Deutschland.
Und in Deutschland: kein Entsendebeschluss ohne Bundestag.
Das war übrigens auch bisher in der multinationalen Praxis nie ein Problem. Seit 1994 hat die Bundestagsmehrheit zu Mandatsanträgen der von ihr getragenen Bundesregierung 250-mal „Ja“ gesagt.
Es wird in Europa noch spannende Debatten geben über andere Errungenschaften unserer deutschen Wehrverfassung: Innere Führung, Staatsbürger in Uniform, Führen mit Auftrag.
Wir haben damit ausschließlich gute Erfahrungen gemacht.
Das Verfassungsgericht und unsere Regierung, der Bundestag und der Wehrbeauftragte werden alle diese Prinzipien hüten und für sie werben in den Jahrzehnten der weiteren Europäisierung, die vor uns liegen.
So viel zur Zukunft.
Gegenwärtig, in diesen Wochen und Monaten ändert sich gerade sehr viel.
Ende Februar ging das Attraktivitätsgesetz durch den Bundestag mit substantiellen Verbesserungen u.a. für Nachversicherung, Versorgungsausgleich und Hinzuverdienstgrenze.
Unser Wehrbeauftragter Hellmut Königshaus hat sich für vieles, was da jetzt kommt, persönlich stark gemacht. So hilft der Wehrbeauftragte den Soldatinnen und Soldaten – und dem Parlament.
Hellmut Königshaus hat mit der gebotenen Schärfe den maroden Zustand allzu vieler Kasernen angeprangert.
Das ist angekommen. Es gibt jetzt ein Sonderprogramm.
Hoffentlich wird es nicht nur ein „Sonder“-Programm, sondern ausnahmsweise auch mal ein „Schnell“-Programm.
Und der Wehrbeauftragte thematisiert immer wieder die Ausrüstung der Bundeswehr – wie wir es im Verteidigungsausschuss auch tun, immer wieder tun müssen.
Ich bin froh, dass wir eine Ministerin haben, die diese politisch gefährlichen Rüstungsthemen nicht von sich wegschiebt, sondern hinschaut und eingreift.
Denn wir müssen da nachsteuern!
Ausrüstung hat übrigens auch etwas mit „Attraktivität“ zu tun. Wer seinen Dienst nicht tun kann, weil das Gerät fehlt, den braucht man nach seiner Berufszufriedenheit gar nicht erst zu fragen.
Wir müssen deshalb nachsteuern beim Thema „Vollausstattung“ der Bundeswehr. 70 Prozent sind nicht genug.
Hohle Strukturen sind kein guter Beitrag zur Bündnisverteidigung.
Wohlgemerkt: Es geht nicht um Aufrüstung, sondern um die staunenswerte Selbstverständlichkeit einer 100-Prozent-Ausstattung.
Dafür würde manchmal schon reichen, gutes Gerät nicht auszumustern, bevor das Neue nicht tatsächlich da ist.
Oder Bestelltes nicht teuer abzubestellen.
Und Ersatzteile zu bevorraten (das müssen nicht gleich ganze nagelneue Kampfhubschrauber zum Ausschlachten sein – die Teile reichen).
Und nicht zu viel an die teuren Freunde von der Industrie outzusourcen.
Und nicht funktionierende Strukturen durch Umstationierung zu zerschlagen um des kleinsten angeblichen „Synergie“-Vorteils wegen.
Und – so weiter.
Über diese Nachsteuerung reden wir in der Großen Koalition sehr konstruktiv.
Auch über die Anhebung des Deckels beim Zivilpersonal. 55.000 sind definitiv nicht genug.
Und natürlich über Geld. Die 1,2 Milliarden für 2016 sind gut. Das ist ein Teil des Geldes, das 2013 und 2014 nicht ausgegeben wurde.
Ab 2017 muss der Etat dann aber nachhaltig steigen. Dann gibt es keine Spareffekte mehr aus der Spar-Bundeswehrreform von 2011, dann ist die Verkleinerung abgeschlossen, dann steht die Struktur.
Und dann wird das Geld nicht mehr reichen – es sei denn, wir verkleinern die Bundeswehr weiter.
Aber davon rate ich dringend ab!
Meine Damen und Herren, 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges findet sich Deutschland heute in einer Situation, in der unsere Solidarität gefragt ist für die Sicherheit unserer östlichen EU- und Nato-Partner.
Deutschland ist für die Sicherheit Europas die Ankernation in der Mitte Europas.
Wir werden gebraucht.
Die Präsenz unserer Soldatinnen und Soldaten wird zu Hause gebraucht – und in den internationalen Auslandseinsätzen, die unsere Bundeswehr nach wie vor fordern, vom Balkan bis Afghanistan.
Allen Soldatinnen und Soldaten, die ihren besonderen Dienst für Sicherheit und Freiheit in unserem Auftrag leisten, wünsche ich Glück und sage Dank!
Dank auch an Hellmut Königshaus, dessen letzter Jahresempfang als amtierender Wehrbeauftragter das heute ist. In Abwandlung eines weltbekannten Buchtitels möchte ich sagen: Er ist ein Guter!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.