Meine Damen und Herren,
Iiebe Freunde, lieber Norbert,
ich danke für die sehr freundliche Einführung.
Norbert Gansel hat 25 Jahre lang den Wahlkreis Kiel im Deutschen Bundestag vertreten. Dabei hat er sich einen guten Namen gemacht. Und dieser Name ist zu einem Markenzeichen für Kiel geworden.
Der Abgeordnete Gansel war der Inbegriff eines ehrlichen Parlamentariers – und natürlicher Feind von Wischi-Waschi-Polit-Phrasendrescherei. Er ist ein Sozialdemokrat wie er im Buche steht – und zugleich eine wandelnde Große Koalition der Vernunft. Wenn es mal ungemütlich wird, auch in der eigenen Partei, dann ist er stur, er nervt – aber genau damit motiviert er andere dazu, Politik ernst zu nehmen und sich selbst zu engagieren.
Für all dies Dank zu sagen, war bisher noch keine Zeit, denn er macht ja weiter: als Oberbürgermeister unserer Stadt. Aber heute, da er zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert in einem Bundestagswahlkampf in der Ostseehalle steht und nicht selbst kandidiert, ist die Gelegenheit da, um zu sagen: Für deine Gradlinigkeit und deinen unermüdlichen Einsatz für Kiel – danke, Norbert Gansel!
Ich weiß, daß es ihm nicht leichtgefallen ist, Abschied vom Bundestag zu nehmen. Und er weiß, daß es nicht ganz leicht sein kann, einem wie ihm jetzt nachzufolgen. Ich will nun die Arbeit fortsetzen – im gleichen Geiste, aber auch auf meine eigene Weise: Unabhängig, und doch geprägt von den Erfahrungen meiner – jüngeren – Generation, bescheiden, und doch selbstbewußt genug, um zu sagen: Ich möchte, daß wir nicht nur die Politik in Deutschland, sondern ein bißchen auch unsere eigene Partei erneuern. Die Veränderung, die wir von anderen erwarten, muß bei uns selbst anfangen.
Meine Damen und Herren, liebe Freunde,
als Norbert Gansel mit der Politik begann, waren auf Howaldt 14.000 Menschen beschäftigt, und die Universität hatte 6.000 Studenten. Heute studieren an unseren drei Hochschulen in Kiel 30.000 junge Leute, und bei HDW arbeiten weniger als 4.000. Kiel hat einen enormen Verlust vor allem von Industriearbeitsplätzen hinnehmen müssen. 15.000 Menschen in unserer Stadt sind heute arbeitslos – doppelt so viele, wie in diese Halle passen.
Man nennt das „Strukturwandel“: Von der Industriegesellschaft zur sogenannten Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft. Aber ich meine: Die eine ersetzt die andere nicht. Es kann und wird keine Dienstleistungsgesellschaft ohne Industrie geben. Kiel hat einen industriellen Kern und muß ihn behalten. Wir brauchen die Werften. Und ich will mich im Bundestag dafür einsetzen, daß unsere Werften politisch konkurrenzfähig bleiben.
Wir brauchen unsere traditionsreichen High-Tech-Unternehmen im internationalen Wettbewerb, ich nenne beispielhaft: MaK, Heidelberg – früher Linotype-Hell, HDW und Lindenau. Sie sichern Arbeit und Know-How weit über den eigenen Betrieb hinaus.
Wir wollen auch die Marine in Kiel behalten: den Stützpunkt, das Arsenal, die Rettungsflieger, sie gehören zu Kiel. Die Entscheidungen über ihren Verbleib werden in Bonn getroffen – und da will ich für Kiel sprechen.
Wir müssen dort stärker werden, wo in Zukunft neue Arbeit entstehen wird: in den Wissenschaften, bei Bildung und Gesundheit, bei Medien und Kommunikation. Deshalb soll der Einsatz für unsere Hochschulen, für Forschung und Wissenschaft in Kiel ein Schwerpunkt meiner Arbeit in Bonn sein. Dazu gehört natürlich, daß keine Studiengebühren eingeführt werden, auch nicht durch die Hintertür. Und wir werden dafür sorgen, daß es endlich wieder ein vernünftiges Bafög gibt.
Wenn ich über Kiel spreche, warum nicht sagen, daß Kiel auch eine Stadt der Verwaltung ist? Daran ist nichts Schlechtes. Das ist nicht unangenehm, sondern im Gegenteil: erfreulich. Ich meine nicht nur Rathaus und Landesregierung, sondern auch die vielen mittleren Unternehmen, die ihren Sitz, ihre Hauptverwaltung in Kiel haben. Sie alle erbringen Dienstleistungen für uns – und wir brauchen sie.
Meine Damen und Herren, liebe Freunde,
der Wahlkampf, den wir gegenwärtig erleben, kreist um zwei Themen. Das eine ist unser Thema, und das andere ist das Thema der anderen. Unser Thema heißt Arbeit. Die spürbare Senkung der Arbeitslosigkeit ist der Dreh- und Angelpunkt für alle anderen Reformen, die nötig sind, um soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen. Soziale Gerechtigkeit für Familien, für Kranke, für Rentnerinnen und Rentner, für junge Frauen und Männer, die Chancen brauchen. Dafür wollen wir einen aktiven Staat, keinen liberalen Nachtwächterstaat. Und für diesen aktiven Staat, der seiner sozialen Verantwortung gerecht wird, steht die SPD mit einem Namen an der Spitze: Gerhard Schröder.
Das Thema der anderen heißt Helmut Kohl. Kohl ist nicht mehr unser Thema. Uns ist es egal, ob Kohl nochmal für ein oder zwei oder vier Jahre kandidiert. Sollen die doch ihren Lagerwahlkampf in ihrer eigenen Partei führen. Jeder kann heute spüren: Die Mehrheit der Deutschen will einen Kanzlerwechsel und einen Regierungswechsel, weil sie einen Politikwechsel will.
Lassen Sie mich schließen mit einem Dichterwort, mit einem kleinen Gedicht, mit dem Günter Grass schon einmal, vor 33 Jahren, zum Wechsel in Deutschland aufrief. Der Schluß geht so:
„Glaubt dem Kalender, im September
beginnt der Herbst, das Stimmenzählen.
Ich rat euch, Es-Pe-De zu wählen.“
Das rat ich auch! Vielen Dank.