Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deutschen Bundestag am 17. Juni 2009 in der Bundestagsdebatte über die Beteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO-AWACS in Afghanistan

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Peter Bartels von der SPD-Fraktion.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben in Afghanistan eine NATO-Mission. Ich bin froh, dass diese jetzt auch erkennbar zusammenwächst. Kollege Nachtwei hat es angesprochen. Die Verstärkung der Amerikaner im Süden ist nicht nur eine zahlenmäßige Veränderung, sondern es soll auch qualitativ anders werden. Der deutsche Ansatz im Norden wird inzwischen von den NATO-Partnern für richtig gehalten und übernommen. Auch im Norden gehen wir mittlerweile mit ausgebildeten Kräften der afghanischen Nationalarmee dorthin, wo Taliban sind. Ich hoffe, dass wir so Konvergenz der Strategie der NATO in Afghanistan erreichen.

Wenn es eine NATO-Mission ist, dann muss dieser Mission das zur Verfügung stehen, was die NATO hat. Die NATO hat ein gemeinsames Aufklärungs- und Führungsmittel für Luftverkehr, für Luftoperationen, und das sind die AWACS-Maschinen, die in Geilenkirchen bei Aachen in Deutschland stationiert sind. Wenn diese für eine NATO-Operation notwendig sind, ist es absolut richtig, dass wir dieses NATO-Mittel der NATO auch zur Verfügung stellen.

Im Übrigen wird eine Koordination des Luftverkehrs auch bisher schon vorgenommen, aber nicht durch die NATO, sondern, Kollege Schäfer, durch OEF in Katar. Wenn wir die NATO-Verantwortung in Afghanistan stärken wollen, ist es doch geradezu ein Vorteil, eine neue Qualität, wenn die NATO selbst diese Aufgabe übernehmen kann, weil sie die technischen Mittel dafür hat. Das heißt natürlich, dass auch Flugzeuge, die für OEF fliegen, auf dem Schirm der NATO-AWACS-Maschinen sein werden, aber es geht nicht darum, ihnen Ziele zuzuweisen, sondern es geht darum, den Luftverkehr zu regeln. Es nützt nichts – ich glaube, jeder hat darauf hingewiesen –, immer wieder Andeutungen zu machen, dass damit irgendwie ein Bodenkrieg verbunden sein könnte. Wir sind nicht dagegen, dass Ziele am Boden aufgeklärt werden, aber das machen zum Beispiel die Tornados, die wir der NATO-Mission in Afghanistan zur Verfügung gestellt haben. Die klären am Boden auf. Für die Luftaufklärung sind die AWACS-Maschinen jetzt eine zusätzliche technische Möglichkeit.

Die Notwendigkeit dazu ist dargelegt worden. Der Luftverkehr in Afghanistan nimmt nicht ab, sondern zu. Auch die angekündigte US-Verstärkung – dass über 10 000 zusätzliche Soldaten da sein werden, begrüßen wir – wird zu mehr Flugbewegungen in Afghanistan führen. Es werden Flugplätze für zivile Nutzung ausgebaut. Wir haben selbst beobachten können – Kollege Nachtwei hat es beschrieben –: Der zivile Luftverkehr nimmt zu. Das ist ein gutes Zeichen für Afghanistan. Wenn man auf dem direkten Weg von Deutschland nach Afghanistan fliegen kann, ist das doch eine ganz andere Situation als in den letzten Jahren, als es fast nur militärische Möglichkeiten gab, Afghanistan zu erreichen. Das geht inzwischen auch zivil. Das muss immer mehr werden. Das muss sicher sein. Für diese Sicherheit will und soll ISAF sorgen.

Selbstverständlich muss das später zivil betrieben werden. Das ist keine Dauerlösung; völlig klar. Aber solange die NATO Verantwortung in Afghanistan hat, ist es nicht egal, wie das Problem gelöst ist. Man kann nicht sagen: Wenn es nicht gelöst ist, ist es auch gut. – Wir leisten einen Beitrag zur Sicherheit Afghanistans, auch auf diesem Gebiet.

Stationiert wird das System zunächst in der Türkei, in Konya, einem vorbereiteten Stützpunkt für die AWACS-Maschinen. Es gibt übrigens vier solcher Stützpunkte auf NATO-Gebiet. Die Türkei ist NATO-Gebiet. Wenn ich die Unterlagen, die uns zugegangen sind, richtig verstanden habe, wird erwogen, zu einem späteren Zeitpunkt auf die arabische Halbinsel zu gehen, also näher ans Einsatzgebiet heran. Es ist vernünftig, wenn man das mit einem Partner in der Region koordinieren kann.

Ich möchte ausdrücklich das aufgreifen, was Kollege Stinner in Bezug auf die Nachbarn Afghanistans gesagt hat. Das Einsatzgebiet der AWACS-Maschinen geht natürlich über das Staatsgebiet Afghanistans hinaus. Darüber sollte man mit den Nachbarn Afghanistans reden, damit keine Missverständnisse entstehen können. Die gleiche Klarheit, die wir hier im Bundestag haben wollen und bekommen, müssen auch die Nachbarn des ISAF-Stationierungslandes haben.

Was die Kosten angeht, so hat es ein Jahr gedauert, sich mit Frankreich über dessen Beitrag zu diesem gemeinsamen NATO-Projekt zu einigen. Das ist ein bisschen enttäuschend. Die Ankündigung Frankreichs, in der NATO wieder voll dabei sein zu wollen, ist ja von allen Partnern, auch von uns, positiv aufgenommen worden. Es kann aber nicht sein, dass Frankreich sein Dabeisein gleich wieder zum Blockieren benutzt. Wer dabei sein will, der soll sich auch konstruktiv verhalten. Bei dem Beitrag, den Frankreich leisten sollte, ist es nicht um große Summen gegangen, sondern eher um einen symbolischen Beitrag, den Frankreich leisten kann und nun auch leistet. Die Verhandlungen der Bundesregierung waren also erfolgreich.

Wir sind damit einverstanden, dass die Entsendung von bis zu 300 zusätzlichen Soldaten für diesen Einsatz im Rahmen von ISAF vom Bundestag beschlossen wird und nicht noch einmal an der Obergrenze, die wir für die bisherige ISAF-Mission, nämlich 4 500 Soldaten, beschlossen haben, geknabbert wird. Es handelt sich zwar um einen weiten Rahmen, und wir hoffen, dass wir ihn nicht ausschöpfen müssen, aber ein bisschen Luft im Mandat ist sinnvoll. Dieser Spielraum sollte nicht durch die Anrechnung des zusätzlichen Personals, das wir jetzt für die AWACS-Mission benötigen, eingeengt werden, zumal die Soldaten ja gar nicht in Afghanistan stationiert werden.

Zu dem Argument, das man gelegentlich in der Öffentlichkeit hört, es komme immer noch ein Einsatz und noch ein Einsatz hinzu, möchte ich sagen: Das mag, wenn man die Berichterstattung in den Medien verfolgt, manchmal so aussehen; aber das liegt daran, dass die Einsätze, die abgeschlossen werden, niemanden mehr interessieren. Schauen wir uns einmal den Balkan an: In Mazedonien sind wir längst nicht mehr. Das Mandat in Bosnien-Herzegowina wird in ganz absehbarer Zeit ablaufen; da sind heute noch 130 deutsche Soldaten. Für das Mandat im Kosovo hat der NATO-Rat jetzt einen Plan zur Reduzierung beschlossen, der als Ziel den kompletten Abzug vorsieht. Das ist letztendlich immer das Ziel solcher Einsätze. Wir haben einen langen Atem gebraucht, wir haben es aber durchgehalten, und jetzt sind diese Länder in der Lage, ihre Sicherheit selbst zu organisieren. Das ist auch das Ziel des Einsatzes in Afghanistan.

Es findet keine Überdehnung der Möglichkeiten der Bundeswehr statt. Heute sind gut 7 000 Soldaten in Auslandseinsätzen, zu Spitzenzeiten waren es 10 000. Die Bundeswehr kann also durchaus das leisten, was wir heute zusätzlich beschließen wollen.

Ich hoffe, dass wir in der nächsten Sitzungswoche diese eigentlich überfällige Mission beschließen können. Wir hätten das schon vor fast einem Jahr tun können. Es lag nicht an uns, dass es nicht dazu gekommen ist. Es ist aber eine weitere sinnvolle Hilfe für dieses gebeutelte Land, für Afghanistan.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

 

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BT-Protokoll – Auszug Rede Bartels