Gastbeitrag von Hans-Peter Bartels in der Zeitschrift für Parlamentsfragen (ZParl), Heft 3/2008

In dem wohl besten amerikanischen Präsidenten-Film, Primary Colors (deutsch: Mit aller Macht), kommt Gouverneur Jack Stanton (John Travolta) überraschend zurück ins Rennen um die demokratische Präsidentschaftsnominierung, als er bei den Vorwahlen im kleinen New Hampshire nach niederschmetternden „sex and crime“-Vorwürfen doch noch den zweiten Platz erreicht. Im Fernsehen sind Bilder zu sehen, die Stanton am Wahltag zeigen, wie er im strömenden Regen auf der Straße Flugblätter verteilt und Hände schüttelt. Aus dem TV-Studio heißt es dazu, in Nachwahlbefragungen habe eine überwältigende Anzahl der Stanton-Wähler angegeben, für ihn gestimmt zu haben, weil sie ihn persönlich kennengelernt hätten.

Hollywood ist nicht abgefilmte Realität, die Vereinigten Staaten sind nicht Deutschland, das personalisierte Verhältniswahlrecht im Fünf-Parteien-System der Bundesrepublik wirkt anders als das Mehrheitswahlrecht bei amerikanischen Präsidenten- und Kongresswahlen. Aber die Frage, wie viel persönlicher Kontakt zwischen Kandidaten und Wählern, zwischen gewählten Repräsentanten und Repräsentierten möglich ist, stellen sich die Bundestagsabgeordneten immer wieder. Den Kontakt, die Begegnung, die Rückkopplung mit der „Basis“ im Wahlkreis nehmen viele Parlamentarier, insbesondere diejenigen der großen Volksparteien, die real um Direktmandate konkurrieren und die Wahlkreise im Bundestag vertreten, sehr ernst.

Welche Reichweite diese über den privaten Familien- und Bekanntenkreis hinausgehenden persönlichen Beziehungen zwischen Wählern und Gewählten im Wahlkreis haben, ist bisher kaum Gegenstand empirischer Forschung gewesen; auch die politische Wirkung des Wahlkreiskontakts ist weitgehend unerforscht.[1] Anekdotisches Wissen herrscht vor, so etwa die immer gern weitergegebene journalistische Beobachtung, wie zum Beispiel der heutige schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), einst 22 Jahre Abgeordneter Nordfrieslands im Bundestag, schulterklopfend, scherzend und allseits gegrüßt – also wohl volksverbunden – über den Wochenmarkt von Husum geht. (Allerdings gewann auch er 1998, als die Schröder-SPD erdrutschartig deutschlandweit siegte, sein Direktmandat nicht.) In Kiel soll es bei einer ansonsten für die SPD erfreulich ausgefallenen Kommunalwahl einmal einen Wahlbezirk mit einem stark ins Negative abweichenden Resultat gegeben haben, das sich aufgrund der Wahlkampfthemen niemand erklären konnte. Der unglückliche Kandidat beteuerte, er habe sogar tagelang Hausbesuche gemacht. Die unbarmherzigen Genossen musterten kurz den Kandidaten und dachten still für sich: drum. So wird es erzählt. Und Hans H. Kleinschildert in der FAZ einen extremen Fall aus dem Kaiserreich: „Der bedeutende Rechtsgelehrte Robert von Mohl, der 1871 in einem badischen Landkreis für den Reichstag kandidierte und das Mandat gewann, hat sich dort nie blicken lassen, auch nicht während des Wahlkampfs – Mohl hatte dies zur Bedingung seiner Kandidatur gemacht.“[2]

Ich vertrete seit 1998 als direkt gewählter sozialdemokratischer Abgeordneter im Bundestag den Wahlkreis Nummer 5. Das ist die Stadt Kiel, seit 2002 erweitert um zwei Stadtrandgemeinden, zusammen etwa eine Viertelmillion Einwohner. Die Zahl der Wahlberechtigten lag 2005 bei 194.000, davon haben 151.000 tatsächlich an der Bundestagswahl teilgenommen. Mein maximales Erststimmenergebnis waren 81.000 Stimmen bei der Wahl 2002. Als Abgeordneter will ich hier einen Blick aus der Praxis auf die in der repräsentativen Demokratie unhintergehbar notwendige Wahlkreiskommunikation werfen. Dafür habe ich mit den Mitarbeitern in meinem Berliner Parlamentsbüro und im Wahlkreis das getan, was vor aller wissenschaftlichen Analyse und verallgemeinerbaren Erkenntnis jenseits des Anekdotischen und Spekulativen als Beitrag von Seiten eines Betroffenen machbar ist: gezählt.[3] Ob andere Abgeordnete zu ähnlichen Ergebnissen kämen, dürfte zum Beispiel abhängig sein vom Grad ihrer Prominenz, der individuellen Arbeitsweise und vielen anderen Faktoren. Erst aus einer Vielzahl solcher Datenerhebungen kann ein realistisches Bild dieser Seite der Arbeit von Parlamentsabgeordneten entstehen.[4]

1. Briefe und Sprechstunden

Eine bewährte Art, Kontakt mit „seinem“ Abgeordneten aufzunehmen, ist der persönliche Brief, im verschlossenen Umschlag mit Briefmarke per Post zugestellt oder hurtig per Email abgesandt, in seltenen Fällen auch eigenhändig abgegeben. Darin können Kommentare zur politischen Situation enthalten sein, Hinweise auf Missstände oder Hilfeersuchen in eigenen Angelegenheiten etwa mit Behörden. 3668 Absender solcher Eingaben wandten sich in den neun Jahren von Oktober 1998 bis Oktober 2007 an mich, davon knapp die Hälfte, 1715, aus dem Wahlkreis, also etwa 200 im Jahr. Manche hatten mehr als ein Anliegen, manche bemühten in ihrer Sache zusätzlich auch andere öffentliche Stellen (Bundesminister, Ämter, Gerichte, Medien). In seltenen Fällen rufen Bürger, die ihre Meinung übermitteln wollen oder Rat suchen, auch bei mir zu Hause an. Dies führt, wenn es um ein weiterzuverfolgendes Anliegen geht, zu einem entsprechenden Briefwechsel oder zu einem Termin in der Sprechstunde.

In der Bearbeitung solcher Vorgänge entsteht oft eine nicht unerhebliche Sekundärkorrespondenz zur Aufklärung des Sachverhalts und zur politischen Einschätzung des dargestellten Problems. In einigen Fällen ergeben sich tatsächlich Anregungen für ein laufendes Gesetzgebungsverfahren oder notwendige Nachbesserungen. Prinzipiell wird Post aus dem Wahlkreis persönlich beantwortet, bei wenigen Dauerschreibern (nur ein Mal gezählt) auch vielleicht nur jeder zweite Brief. Neuerdings werden direkte Fragen an den Wahlkreisabgeordneten auch über den öffentlichen Umweg der Internetplattform Abgeordnetenwatch zugestellt; auch die Antwort ist dann öffentlich (bisher 50 Fragen, 43 Antworten). Monatlich außerhalb der Ferien, also zehn Mal im Jahr, biete ich eine Sprechstunde an; sie wird im Terminkalender der örtlichen Tageszeitung angekündigt und jeweils von durchschnittlich zwei Bürgern aus dem Wahlkreis (mit und ohne Voranmeldung) wahrgenommen, in neun Jahren somit etwa 180 Personen.

2. Eigene Besuche

Ein wesentlicher Teil der Wahlkreisarbeit besteht im kontinuierlichen Erfahrungs- und Meinungsaustausch mit Betriebs- und Personalräten in privaten Firmen und Dienststellen des öffentlichen Sektors, mit den Geschäftsführern dieser Unternehmen und mit Behördenleitern. Oft werde ich eingeladen, noch häufiger melde ich mich selbst an, was ausnahmslos als freundlicher Akt wahrgenommen wird. Solche Besuche, die auch Vereinen mit ihren Vorständen, Kirchengemeinden, Kindertagesstätten, Polizeistationen, Verbänden, Kammern und Gewerkschaften gelten, dienen dem persönlichen Kennenlernen der verantwortlich Handelnden, dem Aufnehmen der aktuellen Situation in diesen Institutionen und der politischen Diskussion. Dabei habe ich zwischen anderthalb und vier Stunden lang Gelegenheit, drei bis vielleicht fünfzehn oder zwanzig Bürger aus meinem Wahlkreis gewissermaßen „an ihrem Arbeitsplatz“ zu sprechen. In größeren oder besonders wichtigen oder von bundespolitischen Entscheidungen häufiger betroffenen Einrichtungen (Bundeswehr, Forschung, Bundesverwaltung, Wehrtechnikunternehmen, Werften und maritime Industrie, Sozialverbände) bin ich immer wieder zum Gespräch. Das hilft, Probleme zu lösen und schafft Vertrauen, ohne das die parlamentarische Arbeit ihre Basis verlöre.

Bei den Terminen im Wahlkreis wird deutlich, dass Repräsentation zwei Seiten hat. Man nimmt etwas auf – aber bringt auch etwas mit: das in dem Abgeordnetenbesuch manifestierte Interesse der Öffentlichkeit an der Arbeit dieser besonderen Einrichtung oder an ihren Problemen. In neun Jahren habe ich etwa 200 Institutionen mindestens ein Mal, vielleicht 20 (zum Beispiel die große Werft, die Zivildienstschule und der Marinestützpunkt) dagegen zwei Mal im Jahr oder häufiger aufgesucht. Dabei sind mir im Gespräch insgesamt
gewiss mehr als 1000 Bürger begegnet.

Einen Sonderfall stellen die Schulbesuche dar, wo neben den Runden mit Schulleitung und Personalrat meist auch eine Unterrichtsstunde zur Diskussion mit Schülern der oberen Klassenstufen genutzt wird. Solche Termine gibt es zwei oder drei Mal im Jahr.

3. Partei und Gewerkschaften

Die SPD hat in Kiel 1570 Mitglieder, dazu die wahlkreisangehörigen Ortsvereine Kronshagen und Altenholz, zusammen 1780 Genossen im Wahlkreis 5, fast alle sind Wähler, alle sind Multiplikatoren auf ihre Weise. In der Partei finden regelmäßig Gremiensitzungen (Kreisvorstand, Kreisausschuss, Kreisparteitag) und Mitgliederversammlungen der Gliederungen (zwanzig Ortsvereine, acht Arbeitsgemeinschaften) statt, wo zwar nicht systematisch, aber flächendeckend alle Aspekte der Bundespolitik mit dem Abgeordneten diskutiert werden, vom Elterngeld bis zur Nato-Strategie. Viele SPD-Mitglieder sind zugleich in anderen Bereichen der Interessenvertretung und des bürgerschaftlichen Engagements aktiv, so dass in diesen Parteiversammlungen mannigfaltige fachliche Aspekte (zum Beispiel aus Militär, Sport, Wissenschaft, aus betrieblicher Arbeit und Studierendenvertretung) kontinuierlich eingebracht werden. Die Debatten in der Partei sind für die Meinungsbildung über die Partei hinaus wichtig.

Das am Ort der demokratischen Revolution von 1918 traditionell enge Verhältnis von SPD und Gewerkschaften spiegelt sich auch in verschiedenen gemeinsamen Gesprächskreisen mit Betriebsräten und Gewerkschaftssekretären sowie vielen gegenseitig besuchten Veranstaltungen wider. Sechs Mal im Jahr gibt es eine von mir und dem IG-Metall-Bevollmächtigten eingeladene „Frühstücksrunde“ (mit acht bis zwölf Teilnehmern), mindestens je einmal im Jahr Termine mit DGB-Senioren, dem Gewerkschaftsarbeitskreis Wehrtechnik und der verdi-Betriebs- und Personalrätekonferenz. Hier herrscht im guten Sinne Dauerkommunikation über die Arbeitnehmerperspektive in der sozialdemokratischen Politik.

4. Veranstaltungen und Besucher in Berlin

Zwei bis vier Mal im Jahr lade ich im Namen der SPD- Bundestagsfraktion über einen großen Verteiler von etwa 2500 Personen aus dem Wahlkreis persönlich zu einer „Fraktion vor Ort“-Veranstaltung über ein bundespolitisches Thema ein. Angesprochen sind alle oben schon erwähnten Engagierten und Interessierten, Schülervertreter und Universitätsprofessoren, Wirtschaftsjunioren und gewerkschaftliche Vertrauensleute. Die Themen reichen von „Patientenverfügung“ über „Afghanistan“ bis zur „Zukunft des Sozialstaates“, immer mitgestaltet von Fachkollegen aus der Bundestagsfraktion. Die Teilnehmerzahl liegt bei jeweils 100 bis 150 Besuchern. Insgesamt dürften auf diese Einladungen in den vergangenen Jahren etliche hundert Bürger, die nicht selbst Sozialdemokraten sind, gekommen sein.

Darüber hinaus hat jeder Abgeordnete die Möglichkeit, pro Jahr zwei Mal je 50 Politikinteressierte aus dem Wahlkreis zu einem (kostenlosen) dreitägigen Programm nach Berlin einzuladen. Für weitere 200 Personen aus dem Wahlkreis, in der Regel Schüler-, Studenten- und Seniorengruppen, können die Fahrtkosten übernommen werden, wenn sie einen Besuch im Bundestag machen. Diese Kontingente habe ich in den vergangenen Jahren ziemlich vollständig ausgeschöpft, so dass knapp 900 Kieler im „großen“ Programm und weitere 1800 im Kontingentprogramm ihren Abgeordneten an seinem Arbeitsplatz besucht haben dürften, zusammen etwa 2700. Dazu kommen eine Vielzahl von Gruppen außerhalb der Fördermöglichkeiten und private Einzelbesucher, denen mein Parlamentsbüro bei Bundestagsführungen und Rahmenprogramm helfen konnte, alles in allem nach unserer Zählung 4200 junge und ältere Wahlkreisbewohner in neun Jahren.

Daneben gibt es eine Reihe von Veranstaltungen, zu denen Vereine und Verbände mich als Referenten oder Podiumsdiskutanten einladen (in geschlossener oder öffentlicher Form) und darüber hinaus viele Anlässe, bei denen die Anwesenheit des Abgeordneten als Gast – „repräsentativ“ – gewünscht ist. Erhebungen über die Reichweite dieser Kommunikationsanlässe sind schwierig.

5. Internet und Medien

Für mich ist meine Homepage eine Art öffentliches elektronisches Archiv, in dem für jedermann nachzulesen ist, was mir wichtig ist oder war. Sie enthält zurzeit 140 Texte, insbesondere Bundestagsreden, Namensartikel, Rechenschaftsberichte. Hinzu kommen biographische Informationen, Links usw. Im Jahr 2006 haben 7766 unterschiedliche Besucher auf die Seite zugegriffen, 2007 waren es 9417.[5] Wie viele davon aus dem Wahlkreis kommen und wie viele gezielt Informationen von mir gesucht haben, ist nicht feststellbar.

Die den Wahlkreis 5 abdeckenden Kieler Nachrichten haben in Kiel, im Gegensatz zu anderen Teilen ihres Verbreitungsgebiets, ein faktisches Monopol. In etwa 35.000 Wahlkreishaushalten wird die Tageszeitung im Abonnement gehalten und kommt hier auf über 100.000 Leser (von 250.000 Einwohnern). Meine politischen Aktivitäten und Standpunkte fanden in dieser Zeitung während der vergangenen neun Jahre 588-mal Erwähnung, also etwas mehr als ein Mal pro Woche. In den verschiedenen überregionalen und außerhalb Kiels verbreiteten Zeitungen und Zeitschriften kommen noch einmal gut doppelt so viele Beiträge hinzu, von FAZ, Welt, und Spiegel bis zur Nürtinger Zeitung und dem Marine Forum. Allerdings dürfte deren Leserzahl im Wahlkreis gegenüber der Heimatzeitung zu vernachlässigen sein. Hörfunk und Fernsehen sind in dieser Auswertung nicht erfasst, erreichen aber mit ihrer politischen Berichterstattung oft erstaunlich viele Bürger im Wahlkreis. Einerseits „versendet“ sich da vieles, andererseits bleibt hängen: „Ich hab’ Dich im Fernsehen gesehen!“

6. Wahlkämpfe

Kein Bild ist präsenter als das des Wahlkampfes, wenn man die politische Kommunikation zwischen Wählern und Gewählten zum Thema macht. Und diese Wahlkampfkommunikation prägt die politische Wahrnehmung vieler Bürger, auch und gerade wenn sie sich im täglichen Leben weniger für das aktuelle politische Geschehen interessieren. Es sind die Plakate der Wahlbewerber – sechs bis acht Wochen 1000-mal das eigene Foto am Straßenrand, das ist auch für den Kandidaten keine Alltagssituation –, es sind die Kandidatenbriefe, Anzeigen und Wahlkampfzeitungen, die Kundgebungen und Diskussionsveranstaltungen, die Infostände, Flugblätter und am Schluss – bei den Sozialdemokraten – die roten Rosen: Dies ist Wahlkampfkommunikation, wie sie in zahlreichen wissenschaftlichen Handbüchern und Seminar- und Examensarbeiten immer wieder dokumentiert und analysiert worden ist.[6]

Die Zahlen aus meiner Praxis als Bundestagsabgeordneter illustrieren, dass dies nicht alles ist, sondern in den vier Jahren zwischen Bundestagswahlen sehr viel Begegnung und Austausch statt. ndet, den näher zu untersuchen sich lohnt.

Je deutlicher es wird, wie intensiv sich Abgeordnete um die Interessen und Positionen der vielen ganz unterschiedlichen Bürger in ihrem Wahlkreis kümmern, wie sorgsam sie ihre soziale Verwurzelung pflegen und welchen Stellenwert die ständige Kommunikation mit den Repräsentierten für sie hat, desto besser kann auch der Politikverdrossenheit entgegengewirkt werden.

[1] Bislang gibt es wenig empirische Forschung zur tatsächlichen Arbeit eines Abgeordneten. Beachtenswert sind die Studien von Werner J. Patzelt (ders., Abgeordnete und Repräsentation. Amtsverständnis und Wahlkreisarbeit, Passau 1993; ders. / Karin Algasinger, Abgehobene Abgeordnete? Die gesellschaftliche Vernetzung der deutschen Volksvertreter, in: ZParl, 32. Jg. (2001), H. 3, S. 503 – 527) sowie von Renate Mayntz und Friedhelm Neidhardt (dies., Parlamentskultur: Handlungsorientierungen von Bundestagsabgeordneten – eine empirisch explorative Studie, in: ZParl, 20. Jg. (1989), H. 3, S. 370 – 387), die sich mit der Vernetzung der Abgeordneten im Wahlkreis auseinandersetzen. Daneben existiert noch eine Fallstudie von Steffen H. Elsner und Karin Algasinger (dies., „Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Abgeordneter!“ – Der Bürger- und Wählerservice deutscher Abgeordneter zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Ergebnisse einer experimentellen Fallstudie, München 2001), die aber vor allem die Reaktionen von Abgeordneten auf Bürgerbriefe in den Blick nimmt. Ansonsten gibt es noch eine etwas ältere Studie von Wulf Schönbohm (ders., Zur Arbeits- und Zeitökonomie von Bundestagsabgeordneten, in: ZParl, 4. Jg. (1973), H. 1, S. 18 – 38), die die einzelnen Tätigkeiten eines Abgeordneten auf ihren Anteil an der gesamten wöchentlichen Arbeitszeit untersucht. Breiter publiziert sind Untersuchungen zur Rolle von Abgeordneten, so zum Beispiel Suzanne S. Schüttemeyer, Die Bundestagsabgeordneten im Kräftefeld von Parlament, Partei und Wählern, in: Politische Bildung, 35. Jg. (2002), H. 4, S. 48 – 61; dies. u.a., Die Abgeordneten des Brandenburgischen Landtages. Alltag für die Bürger, Potsdam 1999; Lothar Rolke, Das neue Selbstverständnis von Abgeordneten. Ergebnisse einer empirischen Studie, in: Werner Weidenfeld (Hrsg.), Reformen kommunizieren, Gütersloh 2007, S. 146 – 156; Wolfgang Börnsen, Vorbild mit kleinen Fehlern. Abgeordnete zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Königswinter 2006.

[2] Hans H. Klein, Mandat und Beruf, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. August 2006, S. 7.

[3] Dank für die statistische Zusatzarbeit an meine wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeiter Kai Mühlstädt, Martin Weinert, Ernst Engert, Jan-Ole Prasse, Ole Jann, Kathrin Hachmann, Lasse Mempel, Dennis Mitterer und Emre Kücükkaraca.

[4] Es scheint paradox: Kaum eine andere geschlossene Berufsgruppe – realistischerweise wahrscheinlich keine – ist so häufig selbst Adressat von empirischer Forschung wie die gut 600 Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Beinah wöchentlich gehen hier Fragebögen von seriösen Forschungsprojekten und Doktoranden aus dem In- und Ausland, von Demoskopie-Instituten und manchmal auch von verwirrten Studenten und Hobbyforschern ein. Gelegentlich sind dem dringenden Ersuchen, die Multiple-Choice-Bögen auszufüllen, noch Beglaubigungen höherrangiger Wissenschaftler beigefügt, in seltenen Fällen auch eine Ermunterung durch den Bundestagspräsidenten. Was aus diesen empirischen Versuchen zwischen sektoraler Vollerhebung und repräsentativer Elitenstichprobe am Ende in den Strom des wissenschaftlichen Fortschritts eingeht, bleibt für die Abgeordneten wie für die Fachöffentlichkeit, insbesondere bei den zahlreichen Studentenarbeiten, meist im Dunkeln. Und was mitunter gefragt wird, offenbart eher Defizite in der politischen Erwachsenenbildung als Lücken in der politikwissenschaftlichen Forschung („Entscheiden Sie bei schwierigen Abstimmungen a) nach der Mehrheitsmeinung Ihrer Partei, b) nach den Interessen Ihres Wahlkreises, c) nach Ihrem Gewissen?“).

[5] Da die Webseite Ende 2005 erneuert wurde, sind nur Zahlen für das neue Internetangebot angegeben.

[6] Vgl. Werner Wolf, Der Wahlkampf. Theorie und Praxis, Köln 1980; Elisabeth Noelle-Neumann / Hans M. Kepplinger / Wolfgang Donsbach, Kampa. Meinungsklima und Medienwirkung im Bundestagswahlkampf 1998, Freiburg / München 2000; Thomas Berg (Hrsg.), Moderner Wahlkampf: Blick hinter die Kulissen, Opladen 2002; Karl-Rudolf Korte, Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2000; Yvonne Kuhn, Professionalisierung deutscher Wahlkämpfe? Wahlkampagnen seit 1953, Wiesbaden 2007; Nikolaus Jackob(Hrsg.), Wahlkämpfe in Deutschland: Fallstudien zur Wahlkampfkommunikation 1912–2005, Wiesbaden 2007, und viele andere.