Marder und Leopard - Quelle_Bundeswehr-Trotzki-Björn Trotzki

Am 7.4.2015 gab der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Hans-Peter Bartels, im Tagesgespräch mit dem Südwestrundfunk (SWR) ein Interview zu der ersten Alarmierungsübung der neuen Very High Readiness Joint Task Force der Nato.

Hier das Interview im Wortlaut:

Lueb: Herr Bartels, die neue Eingreiftruppe soll binnen weniger Tage einsatzbereit sein innerhalb eines NATO-Landes. Auch bei der ersten Übung jetzt sind schon deutsche Soldaten dabei. Überhaupt soll Deutschland eine führende Rolle bei der Eingreiftruppe spielen. Kann die Bundeswehr das leisten?

Bartels: Absolut. Hier geht es ja eher um eine symbolische NATO-Truppe. 5.000 Soldaten, die aus mehreren Ländern zusammengezogen werden, verteidigen ja kein einzelnes NATO-Land, aber sie signalisieren jeder drohenden Aggression, dass sich das ganze Bündnis betroffen fühlt, wenn einem NATO-Mitglied gedroht wird. Insofern, Deutschland kann dazu einen Beitrag leisten und tut das jetzt in der ersten Testphase, die dieses Jahr läuft, als eine der führenden Nationen.

Lueb: Im Test mag es ja noch hinhauen. Neulich haben Sie gesagt, Herr Bartels, die Bundeswehr sei für Bündniseinsätze nicht ideal aufgestellt. Ist sie es nun doch?

Bartels: Für die Dinge, um die es hier geht, ist die Bundeswehr gut ausgerüstet. Was ich bezweifle, ist, dass wir in Europa insgesamt mit 1,5 Millionen Soldaten, die es in der Europäischen Union gibt, gut aufgestellt sind, wenn es darum geht, Sicherheit im Bündnis durch Präsenz in Europa zu zeigen. Es gibt bei der Verteidigung Europas sicher für die 1,5 Millionen Soldaten nicht jeweils einen Job. Es gibt Pläne für kleinere Eingreiftruppen. Es gibt die Out-of-area-Einsätze, die wir in EU und NATO machen. Aber das Szenario Bündnisverteidigung hat es ja seit 25 Jahren nicht mehr gegeben.

Lueb: Bleiben wir noch mal bei der superschnellen Eingreiftruppe. Sie haben bei der Bundeswehr insgesamt mangelnde Einsatzbereitschaft ausgemacht. Das passt ja nun gar nicht zur Idee einer superschnellen Eingreiftruppe. Ist das nicht ein bisschen peinlich für Deutschland im NATO-Bündnis?

Bartels: Nein, das mit der superschnellen Eingreiftruppe bezieht sich ja auf sehr wenige Soldaten. Das gelingt auch bei den Auslandseinsätzen gut. Wir haben im Moment etwa 2.500 deutsche Soldaten in verschiedenen Auslandseinsätzen. Das kann die Bundeswehr gut leisten. Was nicht gut leistbar ist, wäre ein Beitrag zur Bündnisverteidigung mit der gesamten Bundeswehr, mit 185.000 Soldaten, wenn für diese nur 70 Prozent des Materials noch da sein sollen – so entschieden nach der letzten Bundeswehrreform.

Lueb: Dann ist das für die Bundeswehr quasi ein Segen, so eine superschnelle Eingreiftruppe, also nur eine kleine?

Bartels: Ja, natürlich. Das ist in jedem Fall leistbar. Aber was wir in den nächsten Jahren ändern müssen, ist, dass die Bundeswehr als Ganzes nicht mehr einsatzfähig ist. Sie muss wieder eine Vollausstattung bekommen. Eine Ausstattung, die nur für Out-of-area-Einsätze geeignet ist, ist zu wenig.

Lueb: Ist das denn überhaupt noch zeitgemäß – sind nationale Armeen innerhalb des Bündnisses NATO, innerhalb des Bündnisses EU noch sinnvoll?

Bartels: Nein, ich glaube, die Überlegung macht man sich inzwischen auch an manch anderer Stelle. Und wir haben in Deutschland ja im Koalitionsvertrag schon vereinbart, wir wollen den Weg in Richtung einer europäischen Armee gehen. Das heißt, die 1,5 Millionen Soldaten in den europäischen Mitgliedsländern sollten am Ende dieses Weges nicht mehr in nationalen Armeen Dienst tun, sondern – wahrscheinlich eine insgesamt kleinere Zahl – in einer dann sehr viel effektiveren europäischen Armee. Wir haben viel zu viel Kleinstaaterei. Wir haben zu viel Doppel- und Dreifachstrukturen. Effektiv wäre, stärker zusammenzuarbeiten.

Lueb: Ist denn da die superschnelle Eingreiftruppe ein Meilenstein auf dem Weg dahin?

Bartels: Das kann man so sehen. Denn dies ist ein Projekt, das innerhalb der NATO EU-Länder, Europäer – nein, nicht nur EU, auch die Norweger sind dabei, also Europäer – organisieren, genauso wie übrigens in der NATO auch das Framework Nations Concept, das Rahmen-Nationen-Konzept, von den Europäern vorangetrieben wird. Der europäische Pfeiler in der NATO organisiert sich jetzt mehr und mehr und das passt natürlich auch dazu, dass die Amerikaner sich eher aus Europa zurückziehen. Sie haben ihren militärischen Fokus mehr auf Ostasien gelegt. Sie ziehen tatsächlich Truppen ab und sagen auch, für die Region um Europa herum sollen die Europäer in erster Linie Verantwortung tragen, und ich denke, das wollen wir auch.

Lueb: Die neue Eingreiftruppe ist als Reaktion auf den Ukraine-Konflikt gegründet worden. Haben Sie den Eindruck, dass Russland beeindruckt ist?

Bartels: Es ist, wie gesagt, ein Symbol. Es ist ein Zeichen dafür, dass sehr schnell die NATO klarmachen wird, dass eine Aggression gegen ein einzelnes Land der NATO eine Aggression gegen alle ist. Das ist der Sinn dieser Eingreiftruppe. Sie verteidigt nicht mit 5.000 Mann ein einzelnes NATO-Land.

Lueb: Russland könnte diese angelaufene Übung der Eingreiftruppe, dieser neuen Speerspitze der NATO, als Provokation empfinden. Halten Sie es dennoch für die richtige Reaktion der NATO?

Bartels: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Russland tatsächlich das als Provokation empfindet. Dass sie es sagen, kann ich mir schon vorstellen. Aber das, was wir auf der russischen Seite erleben an permanenten Manövern, entlang etwa der norwegisch-russischen Grenze oder auch Seemanövern in der Ostsee, also was wir da erleben, wollen wir auch nicht als Provokation, sondern als das gute Recht der Russen sehen, militärisch im internationalen Raum zu operieren oder auf eigenem Gebiet. Und so ist es auch innerhalb der NATO. Wenn Sie Truppen anders zusammenstellt, nämlich eine schnellere Verfügbarkeit von 5.000 Mann – das ist nicht die ganze NATO, das ist ein sehr kleiner Ausschnitt der NATO von 5.000 Mann – herstellt, dann provoziert das niemanden, aber es sorgt vielleicht für ein bisschen mehr Beruhigung bei unseren beunruhigten osteuropäischen NATO-Partnern.

 

 

Foto: Marder und Leopard (Quelle: Bundeswehr/Trotzki/Björn Trotzki)