Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deutschen Bundestag am 23. November 2011 im Rahmen der Haushaltsdebatte um den Verteidigungshaushalt 2012

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels von der SPD-Fraktion.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer differenzierten Debatte ist es wichtig, über Gemeinsamkeiten und über Unterschiede zu reden. In den Fragen der äußeren Sicherheit unseres Landes suchen wir Sozialdemokraten so viel Konsens wie möglich, aber wir müssen auch vor Fehlentwicklungen aus unserer Sicht warnen und Alternativen vorschlagen.

Es hat keinen Sinn, mit jedem Regierungswechsel die Bundeswehr ganz neu zu erfinden. Die Bundeswehr, die Soldatinnen und Soldaten sowie die Zivilbeschäftigten brauchen Kontinuität. Deshalb war es schlecht, dass Ihr Vorgänger, Herr Minister, Hals über Kopf eine Bundeswehrreform angekündigt hat, ohne dass die vorherige schon abgeschlossen war und ohne zu wissen, wohin er überhaupt will. Das hat Vertrauen kaputtgemacht. Darunter leidet die Reform jetzt noch.

Sie hätten eine europäische Perspektive entwickeln müssen: Was sollen deutsche Streitkräfte in Europa können? Was können die Partner machen? Wo sind unsere Schwerpunkte? Das ist unterblieben, und das ist teuer.

Deshalb haben wir künftig immer noch eine Universalarmee, die fast alles können soll, nur eben mit immer weniger Personal. Wir begrüßen, dass Sie unter diesen Umständen die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung jedenfalls nicht aufgegeben haben. Ihr Vorgänger hat das prüfen lassen.

Wir wollen keine Bundeswehr, die eine reine Expeditionsarmee wäre. Es ist deshalb richtig, dass das Heer weiter in Divisionen und Brigaden gegliedert ist. Auch den Rückgriff auf gekaderte Verbände halten wir für richtig.

Ob allerdings Deutschland und Europa auf lange Sicht die Stärkung der deutschen Infanterie brauchen, wage ich zu bezweifeln. Das ist Ausfluss Ihrer ganz aktuellen Afghanistan-Politik. Hier wird der gegenwärtig schwierigste Einsatz zum Modell für die Zukunft der Bundeswehr. Damit wäre ich vorsichtig. Wenn Ihre neue Infanteriestärke eines Tages hergestellt sein wird, ist hoffentlich der Einsatz kämpfender Truppen in Afghanistan Geschichte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Genau über diese Zukunft des Landes in eigener Verantwortung berät in wenigen Tagen die internationale Afghanistan-Konferenz in Bonn. Wir wünschen uns, dass der Übergang gelingt.

Wir begrüßen, dass die Führungsstrukturen der Teilstreitkräfte schlanker werden. Aus je drei Stäben wird jeweils einer – das war überfällig.

Verglichen mit anderen Teilstreitkräften schrumpft unsere schon kleine Marine am wenigsten, die Luftwaffe am stärksten. Dafür gibt es gute Gründe. Aber es hätte auch gute Gründe für eine stabile oder sogar leicht aufwachsende Marine gegeben. Nach den Einsätzen auf dem Balkan und in Afghanistan wird sie immer noch ein wesentlicher Träger der Auslandseinsätze unserer Bundeswehr sein. Ihre Bedeutung nimmt eher zu. Hier hätten Sie einen Schwerpunkt setzen können.

(Beifall des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU]

– Die Marinefraktion versteht, was gemeint ist.

Über den freiwilligen Wehrdienst haben wir schon einige Male diskutiert. Ich bleibe dabei: Mit diesem Dienst ist es Ihnen nicht ernst. Im Haushalt 2012 sind – das erkennt man, wenn man genau hinschaut – keine 15 000, sondern nur 12 500 Dienstposten für freiwillig Wehrdienstleistende reserviert. Sie fangen schon an, den Dienst wegzusparen. Das ist keine große Strategie der Freiwilligkeit, das ist kleinmütig.

Wo wir Ihnen vor allem energisch widersprechen müssen, Herr Minister, ist Ihr Umgang mit den Zivilbeschäftigten. Hier haben Sie eine Strategie, und diese heißt Outsourcing:

Outsourcing in andere Ressorts der Bundesregierung, Stichworte: Gebührniswesen und Travel Management. Die Mitarbeiter bekommen neue Türschilder. Frage: Was spart das? Es ist dann zwar nicht mehr der Einzelplan 14, aber immer noch der gleiche Bundeshaushalt, aus dem diese Bundeswehrangehörigen bezahlt werden müssen.

Outsourcing ans Militär, Stichwort: gemischte Verwaltungsämter. Wieder stellt sich die Frage: Spart das etwas, oder sollen hier nur verfassungsrechtliche Schranken eingerissen werden?

Outsourcing an die Wirtschaft. Das ist Outsourcing im klassischen Sinn. Wenn Sie einen von zwei Marinearsenalbetrieben schließen, wer macht dann die Arbeit? Die Marine wird ja bekanntermaßen und richtigerweise nicht halbiert. Also kürzen Sie auf lange Sicht bei den Personalkosten und schichten um zu Sachposten. Was spart das? Es wird teurer.

Ich warne vor Reformen um der Reform willen, Veränderungen um der Veränderung willen, Umzügen um des Umziehens willen. Wenn Sie nicht erklären können oder wollen, welchen Vorteil eine Veränderung hat, dann unterlassen Sie diese Veränderung.

Lassen Sie als Bundesregierung die Kommunen mit den Folgen von Arbeitsplatz- und Kaufkraftverlust in den betroffenen Regionen nicht allein. Sie haben angekündigt, hier etwas zu tun. Wir warten auf Vorschläge. Verkehrsminister Ramsauers Idee, aus Liegenschaftsverkäufen ganz schnell Geld dafür zu mobilisieren, kommt mir irgendwie bekannt vor. Die Erfahrungen damals waren ernüchternd. Verhandeln Sie lieber mit Ihren Kollegen Schäuble und Ramsauer darüber, dass existierende Programme wie „Die soziale Stadt“ stärker und nicht schwächer ausgestattet werden! Machen Sie die vorhandenen Bundesprogramme nutzbar für die Konversionskommunen! Sorgen Sie für eine schnelle, preisgünstige Abgabe der Liegenschaften, am besten zunächst an die Kommunen selbst!

Suchen Sie das Gespräch mit den Beschäftigten und den Gemeinden! Lassen Sie uns bei der Umsetzung der Reform so viel Konsens wie möglich wahren! Sie haben gesagt, das Motto sei: Der Sack ist zu. Ich glaube, dass wir auch nach der heutigen Debatte sage können: Das Fass ist auf. – Und das ist keine Drohung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

 


PDF-Dokumnete

BT-Plenarprotokoll 23.11.2011 – Auszug Rede Bartels – Verteidigungshaushalt 2012